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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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der schönen Edelnutte weggenommen hatte, sich nun ganz offensichtlich um Wiedergutmachung bemühte, ihm sogar einen fotokopierten Fachartikel hinüberreichte: Eugen Weschke, «Netzstruktur-Kriminalität», Kriminalistik 6/86.
    «Der ist Professor an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtsverpflegung hier, Rechtspflege, deren Rektor sogar, Fachbereich Polizei, macht die jungen Kommissare fit…»
    «Danke, ja…»
    Während die anderen laberten, machte sich Corzelius daran, hinter das Geheimnis des für ihn neuen Begriffes zu kommen. Organisierte Kriminalität in Form von Hierarchie, Zentralisation, Befehlsund Ausführungsebene, das Mafia-Muster, sollte es in Deutschland (noch) nicht geben, dafür zeige «sich das Bild einer ‹Netzstruktur-Kriminalität›, die aus Banden, aus Straftätergruppierungen und Einzeltätern bestehend, sich in gegenseitiger Verknüpfung und Verbindung unterstützt, arbeitsteilig vorgehend Straftaten begeht und wegen dieser Flexibilität nur schwer und punktuell zu bekämpfen ist».
    Ob da wirklich welche weiße Babys klauten und an kindersüchtige Mütter in den USA verkauften? Was war denn heute schon unmöglich?
    Die Sitzung war zu Ende, und er ging noch mal zur Studio-Technik zurück, seine Siebensachen zu holen. Die Kollegin am Steuerpult hatte gerade ihre Teestunde beendet und schlug das Taschenbuch wieder zu, mit dessen Hilfe sie sich eben entspannt hatte. Corzelius warf einen Blick auf den Umschlag und zuckte zusammen: Tatjana stand da, Curt Goetz.
    Schicksal, Vorsehung, Zufall, ‘n Wink mit’m Zaunpfahl, was auch immer, Tatsache war, daß er mit diesem Titel grell an das erinnert wurde, was er einige Zeit lang mit Erfolg verdrängt hatte: Tatjana als absolutes Muß, um wieder Anschluß ans Leben zu finden. Es war eine Zwangsvorstellung: Tatjana mit dem engen Lederrock und er, unheimlich spitz, unheimlich scharf, dabei, mit seinem Pint die Furche zwischen ihren Schenkeln hochzuflutschen und diesen Rock wie mit einem Messer aufzutrennen. Er schalt sich, eine fürchterliche Sau zu sein, brachte sich aber auch gehörig Verständnis entgegen, denn sagten sie doch alle, daß Sexualität als untrennbarer Bestandteil des Menschseins anzusehen sei. Andererseits, und das kühlte ihn schon wieder ganz erheblich ab, gehörte ja Tatjana nach allem, was er von ihr wußte, fast schon zu den Risikogruppen, was das AIDS-Problem betraf, und im Augenblick waren ja alle Kräfte drauf zu richten, Yemayá zu finden.
    Aber, sagte er sich gleich darauf listigerweise, siehe Weschkes «Netzstruktur»: Tatjana kennt ja schließlich manchen Mann aus mancher wenig bürgerlichen Szene, und warum sollte sie da nicht…?
    Das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden; also auf zu ihr!
    Wo sie zu finden war, das wußte er, im Matscho in der Schlüterstraße, dem Lokal für Männer, die noch Männer sind. Aus ideologischen Gründen hatte er sich bislang immer geweigert, «diesen Machismo-Tempel, diese widerliche Kultstätte des übersteigerten Männlichkeitswahns», so er selber im tip, auch nur diensteshalber zu betreten, nun aber im Ausnahmezustand, siehe Yemayá, schien es ihm möglich. Zugleich aber hatte er seinen Freud so weit gelesen und war selbstkritisch genug, um genau zu wissen, daß das nichts weiter war als die berühmte Rationalisierung seines Handelns, daß es ihm recht eigentlich nur um Tatjana ging.
    Egal, er fuhr die Kantstraße zoowärts hinauf, eine kilometerlange Aneinanderreihung von Schaufensterfronten, bog dann, S-Bahn-Brücke und Gedächtniskirche schon im Blick, rechts in die Schlüter-Straße ab und fand, Glückspilz, der er war, unweit des Kudamms einen schmalen Platz zum Parken.
    Es war kurz vor 19 Uhr, und das Matscho hatte noch geschlossen. Scheiße! Viel Tüll und anderer Vorhangstoff versperrte ihm die Sicht nach drinnen, doch er glaubte, Stimmen zu hören, erregte Menschen, Lärm. Als er die Stirn gegen das Schaufenster preßte und die Hände als Blendschutz benutzte, sah er in den hinteren Räumen tanzende, sich ständig ineinander verschlingende und dann wieder voneinander lösende Schatten.
    Dem Impuls dazu sofort nachgebend, sprang er nach rechts und lief durch den Flur des vierstöckigen Hauses auf den Hinterhof hinaus, kam, wie nicht anders zu erwarten, dicht an die Küchen-, die Toilettenfenster des Matscho heran. Doch alles war geschlossen, und sosehr er sich auch reckte, er blieb zu klein, um über den weiß verblendeten, den Milchglasstreifen hinwegsehen zu

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