Da hilft nur noch beten
können. Ein schneller Blick nach einer Leiter oder ähnlichem erbrachte nichts. So preßte er, um wenigstens etwas zu tun, sein linkes Ohr gegen eine der Scheiben.
Was gab es? Weiterhin heftige Wortwechsel ganz offenbar, und drei, vier Beteiligte schienen es ihm ganz sicher zu sein. Dann schrie jemand auf, entsetzt und schmerzerfüllt, und jetzt konnte er auch einen der Sätze verstehen: «Wenn du den Mund aufmachst, machen wir dich alle!»
Schutzgelderpressung, aha!
Mit diesem Reflex hastete er wieder zur Straße zurück, sah auch noch, wie zwei Männer in einen nahebei geparkten Porsche sprangen, beides auffällig-unauffällige Typen wie aus «Miami Vice», konnte sich auch das meiste ihrer Autonummer merken (B-TN 72…), mußte und wollte vor allem erst mal sehen, was sich im Matscho drinnen zugetragen hatte.
Die Tür stand offen, und es brannte nun auch Licht, doch er konnte nirgendwo jemanden entdecken.
«Hallo, ist hier niemand…!?»
Komisch… Er hielt den Atem an und war sich sicher, daß da in den hinteren Räumen jemand geflüstert hatte; andererseits aber war der Straßenlärm erheblich.
Er zögerte, blieb sicherheitshalber in der Nähe der Tür. Was fürchtete er? Weitere Gangster? Kaum. Die waren doch auf und davon. Also Tote; Leichen, blutüberströmt? Nein, die Schüsse hätte er doch draußen hören müssen. Und wenn sie nun mit Schalldämpfern…? Oder mit dem Messer…? Wenn er nach Grobi nun ein weiteres Opfer entdeckte, hatte er bei den Kollegen sicherlich einen Spitznamen weg, der ihm gar nicht gefiel: Leichen-C. C! Idiotisch, in dieser Situation daran zu denken, aber…
Ja, was sollte er tun? Der Journalist in ihm war dafür, einfach hinzugehen und nachzusehen, der Mensch Corzelius an sich mehr fürs Abhauen.
Es siegte der Profi, und der schrie nun ganz laut: «Hallo, soll ich die Polizei rufen!»
Wieder keine Reaktion, und sofort dachte er in stereotypen Krimititeln: Tote schlafen fest, tote Zeugen reden nicht…
Da ging eine Tür auf, die er vorher gar nicht bemerkt hatte, hinter der Theke, geschickt eingebaut in die Flaschenregale, und Tatjana erschien, produzierte sehr gekonnt ein erstauntes: «Ist da jemand?»
«Nein, niemand!» rief Corzelius.
«Ach, du…!»
«Ist was passiert bei euch…!?»
«Was soll ‘n passiert sein bei uns…?»
«Der Lärm eben…!»
«Nichts weiter… Zwei Freunde von Carlo, die ihn zum Billard mitnehmen wollten… Aber er muß doch arbeiten hier.»
Corzelius blieb nichts anderes, als gläubig zu nicken, doch sein Gefühl sagte ihm ganz deutlich, daß die liebe Kleine mächtig log, ziemlich eingeschüchtert war, und er sah sich darin noch bestätigt, als wenig später Carlo erschien, offenbar der Chef vons Janze, die linke Hand verbunden, Blut an den Fingerkuppen und unter den Nägeln.
Carlo – was für ‘n Mann! Ein Wikinger mit kupferrotem Bart, weit offen das Hemd über der haarigen Brust, geschmückt von einer goldenen, zumindest aber vergoldeten Kette, keinem Kettchen, sondern einem Ding von solcher Stärke, wie sie bei Jessica zu Hause die Deckenlampe hielt. Wirkte gar nicht plump und massig, dieser Carlo, sondern durchaus noch geschmeidig, schien viel Bodybuilding zu betreiben.
Obwohl er Carlo von der Party her kannte, wo er sich mit Tatjana fast schon kurzgeschlossen hätte, wußte er noch immer nicht, was die beiden denn eigentlich verband? Ein bißchen wohl war er ihre deutsche Dogge, ihr Beschützer also, ein bißchen auch der große Bruder, hätte aber ebensogut auch ihr Impresario, Zuhälter, Beschäler oder sonstwas sein können. Also fragte er direkt, was denn Carlo sei?
«Na, der Geschäftsführer hier…!» Ende der Auskunft und ein kleines Manöver, ihn davon abzulenken. «Setz dich mal da hinten in die Ecke; ich hol uns was zu trinken. Auf was hast ‘n Appetit?»
«Appetit… den hab ich nur auf dich…!» Gott, war er mutig heute. Er fand sich fast bewundernswert.
«Auf ‘n Cocktail also. ‹Tatjana› ist wie ‘ne ‹Bloody Mary› so ähnlich…»
Sie ging, ihm etwas zu mixen, und er widersprach ihr nicht, obwohl er nichts mehr haßte als Tomatensaft.
Da saß er nun, und sein «Über-Ich», nahm man Freud, respektive das «Eltern-Ich», folgte man dem Ansatz der Transaktionsanalytiker, hatte sehr viel an ihm auszusetzen: Das sitzt du nun hier, hast ‘n Steifen, daß dir die Hosenknöpfe abplatzen, und Jessica weint sich zu Hause die Augen aus dem Kopf; und irgendwer fährt gerade mit Yemayá durch die Stadt,
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