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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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solln sie machen…?» Er wehrte sich mit allen Kräften dagegen, in diese Leidenswelt zurückzukehren. «Nichts von Belang.»
    «Ich find dich schon irgendwie gut, echt, aber Jessi is ‘ne alte Freundin von mir. Ich kenn sie schon vom Ballettunterricht her, und dann sind wir zwei Jahre zusammen auf der Schauspielschule gewesen… Prost!»
    Sie stießen an, und sie schüttete ihren Cocktail achtlos hinunter, während er vorsichtig-kostend daran nippte, dann schwiegen sie.
    Corzelius war ziemlich verwundert, daß sie, von der es hieß, daß sie mit jedem ins Bett ginge, der sie auch nur halbwegs interessierte, nun moralische Bedenken offenbarte. So dicht vorm Ziel drohte alles daran zu scheitern, daß er ihr nicht eingestehen durfte, nichts weiter als Jessis platonischer Cousin zu sein.
    Und etwas anderes geschah: Je mehr nun Tatjana von sich und ihrer Jugend erzählte und für ihn Konturen gewann, desto geringer wurde seine Lust auf sie.
    «…mein Vater Internist, meine Mutter Augenärztin; klar, was ich werden sollte. Zu entscheiden hatte ich nur noch, ob Frauen- oder Kinderärztin. Und das bei meinen phobischen Ängsten vor Blut und Eiter! Da bin ich mit achtzehn abgehauen. Nach Berlin natürlich, und hab gelebt und lebe noch.»
    «Was meinst du, warum ich weg bin aus Bramme…?»
    «Ich aus Hildesheim… Dieser Hunger nach Menschen! Wanderjahre, mitnehmen, alles, was sich einem bietet!» Sie steckte sich eine selbstgedrehte Zigarette an. «Überall dabeisein, alles mal ausprobieren, alles mal mitgemacht haben.»
    «Das gefällt mir an dir…» sagte Corzelius, und es war ihm ein wenig peinlich, daß es so sehr nach Tanzstunde klang, Bramme 1966.
    Sie lachte. «Täusch dich bloß nicht in mir: Ich bin hart und skrupellos, und wenn ich wirklich mit dir ins Bett gehen sollte, dann will ich mehr von dir als nur ‘n paar Minuten lang ‘n Kick…»
    Als sie das sagte, schrumpfte sein Glied zu Mini-Größe, zog sich in sich selbst zurück, als wäre er bei dreizehn Grad in die Nordsee gestiegen.
    «Womit könnte ich denn dienen…?» fragte er, förmlich wie ein Bankbeamter.
    Sie klopfte ihre Asche von der Zigarette und strich ihm mit drei Fingern über seinen Handrücken, daß sich die Härchen aufstellten. «Ab und zu mal ‘ne Nebenrolle in ‘ner Fernsehserie, Vorabendprogramm, das reicht mir schon zum Leben, zum Abstottern unserer… meiner Schulden…»
    «Ich mach doch keine Filme…» erwiderte er, wurde immer ablehnender.
    «Aber du kennst welche, die Filme machen, und du hast dein Journal, wo du mich mal zum Plaudern einladen kannst…»
    Er schluckte, eigentlich empört über diese Art, mit ihm umzuspringen, über so viel Cleverness. «Du, ich…»
    «Ja, ich weiß: du wolltest mich instrumentalisieren…» Sie setzte sich so, daß ihr enger Lederrock voll zur Geltung kam, glättete ihn mit einer langsam-lasziven Bewegung über Bauch und Schambereich. «Das erste, was man als Schauspieler lernt, ist: Menschen beobachten. Introspektion: in sie hineinsehen, sich in sie hineinversetzen. Und bei dir, da sind deine Blicke so eindeutig, daß ich… Ich find’s ja auch schön, daß ich bei den Männern immer so was auslöse. In der Heilung vom Syndrom der toten Hose hat Tatjana wirklich eine Menge lose!»
    Er schluckte, wußte nicht mehr weiter, stürzte den Rest seiner «Tatjana» hinunter; schmeckte scheußlich nach Tabasco und Pfeffer. Mit Frauen solchen Zuschnitts hatte er in Bramme-Nord nicht umzugehen gelernt. «Ja…» Mehr fiel ihm nicht ein.
    Und wahrscheinlich wäre er innerhalb der nächsten halben Minute aufgestanden und gegangen, wenn nicht in diesem Augenblick irgendwo nebenan ein Baby losgeschrien hätte. Nicht das allein ließ ihn aber zusammenzucken, sondern die Art, wie dieses Schreien ganz abrupt wieder abbrach: als hätte man dem Kind ein Kissen auf den Mund gepreßt.

 
    10.
     
     
     
    Mannhardt wirbelte in Jessicas Wohnung herum, als trainierte er dafür, Hausmann des Jahres zu werden, räumte auf und saugte Staub, scheuerte Kloschüssel und Waschbecken derart blitzblank, daß es für jeden Werbespot gereicht hätte, reinigte Töpfe, Pfannen, Herd und Spüle und stopfte alles, was sie seit gestern abend wild verstreut hatten, in Schränke und Laden zurück, tat das alles wütend, penibel und hektisch, gleichermaßen aber auch irgendwie beschwingt und lässig, fragte sich ununterbrochen, warum denn das so war. Wollte er Jessica zeigen, wie tüchtig er war? Wollte er, indem er innen

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