Da hilft nur noch beten
gerettet: Gerhard und Gitti, aus’m Wasser gezogen. Die handeln beide mit Büromöbeln, und aus Dankbarkeit hab ich ihnen gleich ‘n Schreibtisch abgekauft.»
«Und warum haben die auf dich…?»
«…geschossen, meinst du? Ja, wahrscheinlich, weil sie annehmen, daß ich mehr über diesen Grobi weiß, als wirklich der Fall ist.»
«Habt ihr denn ‘ne Spur?»
«Nur daß der eine von Kurant gesprochen hat statt von Piepen oder so.»
«Das ist ja nicht viel.»
«Du sagst es!» Corzelius gähnte, war müde und zerschlagen von den Untersuchungen im Krankenhaus und den Gesprächen bei der Polizei, vom Schock und Tatjanas langem Ritt auf seinen Lenden. «Was gibt’s denn Neues in Bramme?»
«Dein Ex-Weib schickt sich an, Bürgermeisterin zu werden.»
«Jetzt, wo sie mich nicht mehr beherrschen kann, versucht sie’s mit der ganzen Stadt, ah so!»
So plätscherte ihr Dialog noch ein Weilchen dahin, und er hatte immer weniger Freude daran, zumal er mit jeder Sekunde mehr an Jessica und Yemayá denken mußte, und was Mannhardt machte, war ihm auch nicht klar. Doch als Heike Hunholz endlich aufgelegt hatte, war er unerwartet traurig darüber, merkte plötzlich, wie er sie eigentlich als Frau, als Partnerin begehrte. Scheißwort, doch es stimmte irgendwie. Kaum war er weg aus Bramme, froh darüber, den Frauen da entkommen zu sein, einmal ohne die berühmten festen Bindungen, welch Glück, da…
Er hatte die Hand noch auf dem aufgelegten Hörer liegenlassen, und als das Telefon nun erneut zu lärmen begann, zuckte er zusammen, als hätte er einen Stormschlag erlitten. Und wieder war es eine Frauenstimme, ebenso sicher-selbstbewußt und dennoch erotisch wie die der Brammer Kollegin.
«… und darum hätten wir Jessica gerne morgens im RIAS.»
Gott, ja, ihr Film kam ja nächsten Dienstag! Corzelius hatte es vergessen. Wenn sie Yemayá bis dahin nicht gesund und unverletzt… Das überlebte sie nicht… Ich muß auf alle Fälle nachher noch mal mit ihr zum Arzt.
«Hören Sie mich noch…!?»
«Ja, natürlich, ja! Ich hab nur eben mal… Aber sie fühlt sich nicht, sie schläft noch, sie ruft nachher zurück, ja?»
«Okay, meine Nummer habt ihr ja.»
Corzelius schwitzte, wollte das Telefon schon, indem er einfach eine 8 wählte und dann den Hörer liegen ließ, für einige Zeit außer Betrieb setzen, ließ es aber wieder: Vielleicht versuchten die Entführer, wenn es denn welche gab, doch noch Kontakt mit ihnen aufzunehmen.
Klaustrophobie erfaßte ihn: Nur raus aus dieser Wohnung hier, wo ihn alles quälte und ihm die Luft abschnürte, Brötchen und Zeitungen kaufen, die Straße entlanggehen. Aber er wußte auch, daß er Jessica nicht alleine lassen durfte. Und wenn sie nun schlief? Er lauschte, nichts, ging leise zu ihr hin. Tatsächlich, ruhig atmend lag sie da, erschöpft von allem. Er konnte es wagen, für fünf Minuten zumindest.
So nahm er schnell die Brötchentasche vom Haken, steckte sich einen Zwanzigmarkschein in die Hosentasche und schlich sich aus der Wohnung.
Doch kaum hatte er die Tür ins Schloß gedrückt, hörte er Schritte auf der Treppe, vertraute Klänge, das Stakkato-Klacken hochhackiger Pumps; dieselben, so schien es, aus denen er wenige Stunden zuvor Sekt getrunken hatte, getragen von Füßen, an Beinen, auf denen er Kuß um Kuß hinauf geglitten war. Tatjana… Und heute kam ihm alles furchtbar peinlich vor, schmutzig und verworfen, reagierte er wie damals vor zwanzig Jahren in Bramme, als sie ihn beim Onanieren erwischt hatten, genau im Abspritzaugenblick, wo nicht mehr aufzuhören war, schämte sich, mit einer wie Tatjana so was gemacht zu haben, floh vor ihr die Treppen hinauf, wartete oben, bis sie geklingelt hatte, vier-, fünfmal, und dann von Jessica hereingelassen worden war.
«Gut drauf biste ja nicht gerade», sagte Tatjana, als sich die beiden alten Freundinnen bei einer schnell aufgebrühten Tasse Tee in der Küche gegenübersaßen.
«Kein Wunder…» Jessica hatte Mühe, nun nicht hinauszuschreien, warum es ihr so dreckig ging, ersehnte diesen Dammbruch und fürchtete ihn, fügte hastig hinzu, daß es an ihrem Fernsehfilm läge, nächsten Dienstag ja, von dem so unendlich viel abhinge.
Tatjana zündete sich eine selbstgedrehte Zigarette an. «Gib doch zu, daß es was anderes ist…»
Jessica starrte sie an, konnte ein gestammeltes «Woher weißt du denn…?» nicht mehr verhindern.
«Mensch, Jessi!» Tatjana sprang auf, umarmte Jessica so spontan und göttlich, wie nur
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