Da hilft nur noch beten
Staatsmaschinerie war in Bewegung zu setzen, siehe Raster-, siehe Schleppnetzfahndung, aber auch mit Hilfe millionenfach eingeschalteter TV-Geräte nach Yemayá zu suchen.
Vorne im Berliner Zimmer klingelte das Telefon; er stürzte hin. Vor dem Abheben setzte er noch das kleine Tonbandgerät in Gang, das Corzelius nun endlich vom Sender mitgebracht und mittels eines speziellen Adapters angeschlossen hatte.
Es war Koch, sein alter Freund und Spezi.
«Du, gut, daß du mich da angerufen hast, noch mal, vorhin… Der Staatsschutz möchte dich mal sprechen wegen dieser Sache da. Die sind gleich hellhörig geworden. Sag mal, hat der Nachbar dich denn echt bedroht…?»
«Ja, nein. Als ich bei… bei dem Tietz durch’n Briefschlitz geguckt habe, da steht er plötzlich hinter mir, und ich hatte so den Eindruck, so das Gefühl, weißte, daß er gerade zuschlagen wollte… Mit dem Kantholz, das er in der Hand hatte. Kann aber auch Zufall gewesen sein, weil er gerade beim Basteln war…»
«Du sollst jedenfalls mal vorbeikommen, weil sie da gewisse Erkenntnisse vorliegen haben…»
Mannhardt hatte aufgehorcht. «Was ‘n für welche…?»
«Harn se mir auch nich auf de Nase gebunden, aber nach allem, was sie so angedeutet haben, kannste getrost einen drauf lassen, daß der Tietz und sein Gegenüber für die ‹Firma› drüben arbeiten.»
«Oh…!» Mannhardts Ausruf bezog sich sowohl auf den Inhalt dieser Mitteilung wie auf den Brandgeruch, der ihn jetzt schwallartig von der Küche her erreichte. «Mensch, mir sind die Eier angebrannt!»
«O Süßer!» flötete Koch. «Daß dich die kleine Plauderei mit mir so heiß gemacht hat…!»
Mannhardt warf den Hörer auf die Gabel und lief zur Küche zurück, kämpfte sich nach Art unerschrockener Feuerwehrmänner durch Rauch und Qualm zum Brandherd vor, riß die Pfanne vom Gas, trug sie zur Spüle, ließ kaltes Wasser auf die verkohlten Eiweißreste laufen und sprang dann hustend zum Fenster, riß es auf und ließ seinen «Scheiße»-Ruf durch den Innenhof schallen.
Die Spiegelei-Phase… War sie damit zu Ende gegangen, war das alles als gutes Omen zu nehmen?
Erneutes Telefongeklingele brachte ihn um das Glück, dies mittels weiterer Reflexionen zu klären. Band ein, ganz automatisch. «Bei Criens, ja bitte…!?» Und sofort war auch er voll eingeschaltet, denn Stimmen dieser Art kannte er aus Dutzenden von realen wie Schulungsfällen: Da war ein Deutscher, der alles daransetzte, wie ein Italiener, wie ein Araber zu klingen.
«Wir haben das Kind… Yemayá, so heißt er doch?»
«Sie! Ja…»
«Für fünfzigtausend Mark können ihr haben es zurück, du verstehen?»
«Soviel haben wir nicht.»
«Mutter große Schauspielerin, hat genug, kriegt von Bank!» Der Mann schien sich auszukennen, und Mannhardt brauchte Sekunden, die nächste Frage in Worte zu fassen, denn von irgendwoher schien er diese Stimme zu kennen. «Ja, sagen Sie…?»
«Ich kenne deine Tricks! Aber wenn du Polizei, dann alles aus!»
«Nein, nein, keine Polizei!» Mannhardt schluckte, hatte Mühe, diesen an sich ja außerordentlich albernen Dialog als das zu nehmen, was er war: ein Stück Realität, bei dem es um das Leben eines kleinen Kindes ging, aber auch um das Schicksal, das Lebensglück, einiger anderer Menschen. «Sagen Sie… Beweise! Wir brauchen natürlich Beweise dafür, daß Yemayá noch lebt und daß Sie sie haben…!»
«Habe ich gefertigt Film von Baby mit hinten Fernseher drauf.»
«Und wie sollen wir wissen, von wann das ist…?»
«Ist Fernsehen on, an, Nachrichten, Heute, mittags, 13 Uhr…»
«Ah, ja…» Mannhardt sah auf seine Quarzuhr, die 13:48 zeigte. «Und wie bekommen wir Ihren Film?»
«Ist noch nicht entwickelt, ist Super-8. Kodak/Stuttgart zu weit, zu lange…»
«Wo liegt er denn?»
«Mußt du nachsehen in deine Briefkasten, Ludwigkirchstraße!»
17.
Knappe zwei Stunden später saßen sie in einem kleinen Vorführraum und warteten, bis Corzelius den sehr bemühten Techniker hinauskomplimentiert hatte. «Danke, den Rest schaffen wir schon selber. Es ist sehr vertrauliches Material, und ich hab dem… versprochen, daß außer uns keiner weiter…»
Mannhardt hatte das Gefühl, dem ersten Herzinfarkt nie so nahe gewesen zu sein wie an diesem frühen Nachmittag. Nachdem er die Filmkassette, wie vom Anrufer angekündigt, im Briefkasten unten gefunden hatte, war er im immer noch geliehenen Wagen zur Arztpraxis gerast, doch Corzelius und Jessica
Weitere Kostenlose Bücher