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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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sprechen waren.
    «… dann nicht…»
    Sie sprang wiederum auf und flüchtete sich in eine einstudierte Rolle, die der Natalie aus dem «Prinzen von Homburg»: «O Erde, nimm in deinen Schoß mich auf! Wozu das Licht der Sonne länger schaun?»
    «Es sollte nie eine Lüge zwischen uns sein…» Auch er sprach jetzt so, als stünde er auf einer Bühne.
    Da lachte sie auf, weinte zugleich, fiel ihm um den Hals, küßte ihn mit wilder Zärtlichkeit.
    «Es ist schon alles irre, Wuthenow, aber das gerade ist das Schönste am Leben!»
    «Wen spielst du nun…?»
    «Mich! Dein Vorwurf trifft mich nicht, denn lange schon hatte ich meinen Vater verdrängt!» Sie kam nun nicht mehr los von ihrer theaterhaften Sprache.
    «Komm, sei vernünftig!» mahnte er in väterlichem Tone, wußte um ihre Empfänglichkeit dafür.
    «Na schön…» Sie setzte sich aufs Fensterbrett, verfiel in den Ton einer kühl-emanzenhaften Fernsehfrau, konnte einfach nicht sie selber sein, weil sie dann zusammengeklappt wäre, total ausgeflippt, wie es in ihrem Denken hieß. «Jetzt gibt es doch nur eins, was zählt: Unsere Tochter zu retten! Koste es, was es wolle! Oder sind Sie da anderer Meinung, Genosse Wuthenow…?!»
    Er zögerte. «Nein…»
    «Na also! Und da wir es mit unseren eigenen Mitteln nicht schaffen, sie zu finden, bleibt uns nun nichts weiter übrig, als doch zur Polizei zu gehen.»
    «Polizei, da ist doch nichts vertraulich hier! So wie ich die Presse bei euch kenne, steht dann morgen überall drin, daß ich Yemayás Vater bin.»
    «Na und!»
    Er goß sich einen Klaren ein und stürzte ihn hinunter. «Ich wiederholte zum x-ten Male, daß das mein Ende ist!»
    «Bei euch drüben ja, aber nicht bei uns im Westen. Kommst du eben rüber!»
    «Du bist wohl…! Meinst du denn, ich verrate da alles!? Die DDR ist ein gewaltiges Experiment, für ganz Deutschland unbedingt nötig. Ich muß da weitermachen, sie brauchen mich!»
    Jetzt war er es, der mit seinen Emotionen die Szene beherrschte, während sie sehr leise wurde, kühl und intellektuell.
    «Du kannst auch von hier aus sehr viel drüben bewirken, wenn sie dir ‘n Lehrstuhl geben, und das werden sie, wenn du publizistisch tätig bist.»
    Jessica genoß es fast, jetzt die Überlegene zu sein, ihn einmal wanken zu sehen, ohne aber dabei auch nur einen Augenblick nicht an Yemayá zu denken.
    Wuthenow lief auf und ab, machte schließlich vor der alten Standuhr halt, die keine Feder und keine Scheiben mehr hatte, hob den Perpendikel an, so daß er wieder schwang, wartete auf sein langsames Ersterben. «Ich liebe dich, und ich liebe unsere Tochter, ich liebe aber auch meine alte Wendekate in Dolgenbrodt draußen und mein Leben in der DDR, und nicht einmal meine Frau kann ich verlassen, denn der verdanke ich alles, ohne die wäre ich der kleine Kaderaktenführer in meinem VEB geblieben…»
    «Wenn du alles willst, wirst du alles verlieren.»
    «Laß mir Zeit!»
    «Es ist schon der dritte Tag, daß Yemayá weg ist!»
    «Ich hab zwei Termine heute; ohne die könnt ich dich doch gar nicht besuchen. In einer halben Stunde muß ich in der Senatskanzlei sein, anschließend geht’s zum Arbeitsessen mit diesem Etzel von der UCB. Ich dürft dir das gar nicht sagen, aber…»
    «Jetzt gibt es nur noch eins: Yemayá! Verstehst du denn das nicht!?» Wieder war sie aufgesprungen, bereit, ihm an die Kehle zu gehen.
    Er wich fast auf den Flur zurück. «Aber was soll ich denn machen!?»
    Sie quetschte sich an ihm vorbei, lief den Flur entlang und riß die Tür zum Treppenhaus auf. «Raus hier, deine Taxe hupt unten! Und wenn du abends um sechs nicht wieder hier bist und dich endlich klar entscheidest, dann geh ich alleine zu den Bullen hin und laß Corzelius exklusiv was schreiben!»
    Damit stieß sie ihn hinaus, warf die Tür hinter ihm zu, erreichte noch ihr Bett und stürzte dann in ein schwarzes Loch hinab, verlor sich in einem Nichts von Fruchtwasserwärme.
     
     
    Corzelius fand sie später schluchzend, von immer neuen Weinkrämpfen geschüttelt, und kein Streicheln half dagegen. Laß mich! Hilf- und ratlos stand er da, klein in seinem Elend, und war froh, als das Telefon schrillte und er von ihrem Bett fortlaufen konnte.
    Es war Heike Hunholz vom Brammer Tageblatt, eine frühere Volontärin von ihm, die eben von Schüssen auf ihn erfahren hatte und nun begierig war, alles als O-Ton zu haben. «Erzähl doch mal!»
    Was blieb ihm weiter übrig. «…ja, und dann haben mich zweie mit’m Motorboot

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