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Da hilft nur noch beten

Titel: Da hilft nur noch beten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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gezittert, war ihm doch von seinem Vater eingeredet worden, dieser Fötus, Siegfried mit Namen, würde eines Tages aus dem Spiritus herausgeklettert kommen und mit ihm spielen wollen: als der kleine Däumling, den kenne er doch.
    «Zurückbleiben!»
    Auf dem Wege zum Halleschen Tor war wenig zu erwarten, zog an seiner Seite die ewig lange Patentamtsfassade vorüber, kam ihm vor wie die Kaiserpfalz zu Goslar, nur ein wenig flacher, folgte dann die Lücke an der Lindenstraße, schneller Blick auf das alte Amtsgericht, jetzt Berlin-Museum, preußisch prächtig-prächtig, bis sich die hohen Neubauringe des Mehring- oder, wie er ihn von früher her kannte, Belle-Alliance-Platzes ein wenig schmerzend in sein Blickfeld schoben.
    Ah, Achtung…!
    Nein, viel zu weit vom Gleiskörper entfernt, um interessant zu werden. Von Yemayás Versteck aus gefilmt, hätte ein Zug wie seiner auf der Leinwand viel kleiner wirken müssen.
    Nach Verlassen des Bahnhofs Hallesches Tor, hinter der breit in die Uferregion ausmündenden Stresemannstraße, zogen einige durchaus in Frage kommende Mietshäuser vorbei, doch Mannhardt reagierte nicht, wurde das ebenso vage wie auch gewisse Gefühl nicht mehr los, auf der falschen Wagenseite zu stehen, daß es hier nicht sein konnte, obwohl sein kreisendes Radar jedes Fenster, das sich in etwaiger Hochbahnhöhe befand, noch immer mit seinem Suchstrahl bestrich.
    Folgte bald ein AWO-Bau, Marke Pappkarton mit Fenstern, aber die Wiege einer legendären Truppe gewesen, der berlinischen Schaubühne, am Kudamm längst von linker Welterkenntnis zum L’art pour l’art-Gehabe umgestiegen, wie Mannhardt mitbekommen hatte, dann das neue Postscheckamt, das wie ein hochkant gestellter und mit schnell hineingekratzten Rechteckrastern versehener Bleibarren in den Wim Wendersschen Himmel über Berlin hineinragte, ohne daß die Engel Bruno Ganz und Otto Sander auf den Antennen oben saßen und dafür gesorgt hätten, daß die Zeiger seiner Meßgeräte ein wenig hin und her gewandert wären, ihm Yemayás Nähe anzuzeigen.
    Scheiße, verdammte!
    Verließ er also an der Möckernbrücke seinen Zug, fuhr gar nicht bis Gleisdreieck weiter, unterquerte die Gleise und erwartete auf dem südlich gelegenen Bahnsteig den sozusagen Gegenzug, der aus Ruhleben kam und ihn zumindest bis zum Kotti, zum Kottbusser Tor, zurückbringen sollte; dazu mußte die Zeit allemal reichen.
    …he is my destiny, hörte er Jennifer Rush aus dem locker sitzenden Walkman eines einsamen Jungtürken singen und glaubte sekundenlang, Jessica zu hören, wie sie oben auf der Bühne stand und Wuthenow zuwinkte, der in einer Ehrenloge saß.
    «Beim Einsteigen beeilen, bitte. Zu-rück-blei-bään…!»
    Hochbahn zum dritten.
    Nun aber ging es scharf am Kanalufer entlang, und die Pfeiler des Viaduktes stiegen so unmittelbar hoch aus Wasser und schräg gemauerter Böschung, daß er, wie er da an der Scheibe der Wagentür lehnte, von einem Anfall aus Herzrasen, Atemnot und Kreislaufschwindel derart heftig gepackt wurde wie noch nie in seinem Leben, höchstens bei einem Bäderflug nach Helgoland in einer winzig kleinen Maschine, immer auf und ab in fürchterlichen Turbulenzen. Setzen mußte er sich, an Haltegriff und -stange zum letzten freien Platz hinüberhangeln und dann die Augen starr auf das Reklameband im Wagen oben richten: Bringt der Verkehr auch manchmal Frust, mit Paech-Brot kriegste wieder Lust. Verdrängtes war da urgewaltig wieder hochgeschossen, die Wahnsinnsangst aus Kindheitstagen, daß die Tür sich öffnen und er in den Kanal hinunterstürzen würde, elendiglich ertrinken dort, den Gassenhauer der Erwachsenen, bei jedem Geburtstag gesungen, deutlich im Ohr: Es schwimmt eine Leiche im Landwehrkanal.
    Yemayá! Wenn sie nun das Kind getötet hatten und es hier in einem Pappkarton…!?
    In seinen langen Jahren bei der Mordkommission hatten sie etliche Male zerstückelte Leichen aus Berlins Kanälen herausfischen müssen.
    Für seine eigenen Kinder war er wertlos geworden wie eine Monatskartenmarke vom vergangenen Jahr, und wenn er einen Menschen bei seiner Ankunft lächeln sehen wollte, mußte er sich schon Yemayá zuwenden.
    Dennoch schaffte er es nicht, wieder aufzustehen und an die Tür zu treten, weiter nach dem Baby zu forschen, konnte einfach nicht anders, mußte warten, bis sie wieder in einer sicheren Bahnhofshalle angelangt waren, am Kottbusser Tor, weitab vom Landwehrkanal. Suchen konnte er, obwohl die Perspektive schlechter war,

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