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Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Titel: Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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eingerichtet.«
    »Haben Sie weitere Angestellte?«
    »Meine Frau hilft hin und wieder.«
    »Welche Aufträge hatte Serkan gestern?«, wollte Rubin wissen.
    »Schwer zu sagen.«
    »Gibt es Quittungen, Belege, Auftragsbestätigungen?«
    Hassan drückte seine Zigarette aus, schwang sich aus seinem Sessel. Er eilte in den Raum, aus dem er eben gekommen war. Als er zurückkam, zeigte er wieder den bitteren Gesichtsausdruck von vorhin und schleuderte einen Stapel Papiere auf die Tischplatte.
    »Hier«, rief er, »alles hat seine Ordnung! Hier ist der Beleg eines Computers, den dieser Igor … den jemand gekauft hat.« Hassan verzog das Gesicht, ballte die Faust, riss sich aber augenblicklich wieder zusammen
    »Wer ist Igor?«
    »Niemand. Er spielt keine Rolle.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    Wieder entsann sich Rubin der Worte Hassans am Brunnen: »Das Schwein mache ich kalt!« Waren sie vielleicht auf diesen Igor gemünzt, vermutlich ein Russe oder Ukrainer? Rubin war drauf und dran, Hassan darauf anzusprechen. Doch er ließ es sein. Er wusste, es war sinnlos. Wie hätte er seine Frage stellen sollen? Haben Sie Igor in Verdacht? Haben Sie überhaupt jemand in Verdacht? Hatte Serkan Feinde?
    Die Frage nach Feinden war die sinnloseste Frage in einer Ermittlung. Denn es konnte auf sie niemals eine ehrliche Antwort geben. Deshalb hatte Rubin sie schon lange nicht mehr gestellt.
    »Was gab es gestern sonst noch?«, fragte er.
    »Da war noch ein Handy, ein teures Smartphone, das zur Reparatur hier war. Serkan ist mit dem Kunden in Streit geraten – Scheißkerl, der braucht nicht wiederzukommen!«
    »Haben Sie den Namen des Kunden?«, fragte Rubin.
    »Einen Moment.« Hassan suchte die Auftragsbestätigung aus den Papieren. Als er sie gefunden hatte, schob er sie Rubin beinahe verschwörerisch über die Tischplatte zu. Es war ein Name mit einer Hotelanschrift: das Hotel am Marktplatz.
    Rubin erhob sich aus dem Sessel und dankte für den Tee. Er schloss seinen Mantel. Dann sagte er: »Eine letzte Frage habe ich noch: Was ist eigentlich Halva?«
    »Halva, wie kommen Sie darauf?«
    »Jemand, den ich sehr gut kenne, ist ganz verrückt danach.«
    Hassan holte aus einem Hängeschrank hinter der Theke eine graubraune, längliche, in Zellophanfolie eingewickelte Masse auf einer Kuchenform hervor. Er schnitt mit einem Küchenmesser ein schmales Stück ab und reichte es Rubin auf der Messerklinge.
    »Unsere Mutter macht Halva nach altem Rezept.«
    Die süße, sandige Masse löste sich auf Rubins Zunge und verwandelte sich in einen körnigen Brei, der teilweise am Gaumen kleben blieb und seinen Mund augenblicklich trockenlegte. Halva schmeckte nach Mandeln, Nüssen und Honig. Es schmeckte wie nichts, das er je zuvor gekostet hatte. Rubin konnte nicht anders – er musste innerlich herzhaft grinsen:
    »Bernstein, du raffinierter Genießer!«

8
    Rubin blieb vor der Fassade des Café Schirner stehen und betrachtete das große, beschriftete Fenster und die sich automatisch öffnende Eingangstür. Der Anblick erinnerte ihn an seine Kindheit und an die immer gleichen Rituale an stillen Sonntagen.
    Damals hatte als Erstes der Kirchgang auf dem Plan gestanden. Rubin hatte dafür eine spezielle feierliche Sonntagsmontur besessen, eine Stoffhose, die an den Oberschenkeln kratzte, und mehrere karierte Hemden mit langen, spitzen Kragen, die sich schon nach wenigen Minuten am Körper elektrisch aufluden und die Haare zu Berge stehen ließen. Manchmal bekam er auch einen kleinen Stromschlag. Bernsteins Eltern waren in der Hinsicht liberaler gewesen. Er durfte dieselben bequemen Hosen und Pullover tragen, die er auch in der Schule und beim Spielen anhatte.
    Nach der Kirche hatte es den Sonntagsbraten gegeben, den seine Mutter schon am Abend zuvor angebraten hatte. Dazu Knödel und Rotkraut. Hatte es nie etwas anderes gegeben? Komisch. Wenn Rubin sich an die Sonntage seiner Kindheit erinnerte, stieg ihm nur der Duft des Bratens und die schale Würze des Rotkrauts mit ganzen Lorbeerblättern in die Nase, sonst nichts.
    An den Nachmittagen hatte die Familie häufig das Café Schirner besucht. Anfangs waren noch die Großeltern dabei gewesen. Damals führte der Vater von Bernd Schirner, Heinz, das Café.
    Beim Öffnen der Glastür vernahm Rubin eine Türglocke mit der Melodie von »Bruder Jakob«. Freitag horchte auf.
    Seit Rubins Kindertagen hatte sich das Café kaum verändert, die Einrichtung war dieselbe, vielleicht auch die Tapeten und der

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