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Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Titel: Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Irmgard Rathenow.«
    »Die alte Rathenow, die lebt noch? Sie muss doch mindestens achtzig sein.«
    »Einundachtzig, um genau zu sein. Sie wohnt übrigens mittlerweile dort drüben.«
    Bernstein wies auf das Dachgeschoss eines Fachwerkhauses gleich neben dem Hotel am Marktplatz.
    Rubin sah, dass sich die Tür zur Praxis von Peng Ching öffnete und zwei Männer den Toten abtransportierten. Erst jetzt entdeckte er die Kühlerhaube eines Polizeitransporters, der hinter der Häuserecke geparkt war.
    »Wir könnten unserer Lehrerin einen Besuch abstatten, Rubin. Ich plaudere gerne von Zeit zu Zeit mit ihr«, sagte Bernstein.
    »Später. Jetzt muss ich zuerst zu den Kollegen.«
    »Melde dich bei mir. Meine Nummer ist übrigens auch in deinem Diensthandy abgespeichert, Kurzwahl 13.«
    Die zwei Männer in weißen Schutzanzügen hoben Serkans Leiche in den Transporter, der wie ein Krankenwagen für Tote aussah. Das Blaulicht warf blasse Schlaglichter über den Marktplatz.
    Rubin ging zielstrebig auf sie zu und stellte sich freundlich vor. Einer der beiden, der Kaugummi kaute und unrasiert war, musterte den Hauptkommissar herausfordernd.
    »Ach, sind Sie auch schon da?«
    »Haben Sie mich gesucht?«
    »Na ja, wir haben nicht gerade damit gerechnet, die Leiche von einem chinesischen Wunderheiler abholen zu müssen. Komische Methoden haben Sie.«
    »Dazu wurde die Leiche unzulässigerweise vom Fundort entfernt«, warf der andere ein, der etwas älter und ganz offensichtlich der Vorgesetzte war. Er hatte winzige, tief liegende Augen und sprach in einem Tonfall, als gebe er seine Worte zu Protokoll. »Was haben Sie sich dabei gedacht? Jeder Azubi ist darüber unterrichtet, dass eine Leiche am Fundort unbewegt und unberührt zu verbleiben hat, bis die Spurensicherung vor Ort ist. So etwas wie hier ist mir noch nie untergekommen.«
    Rubin kannte das alte Spiel zwischen Spurensicherung und Ermittler zu gut. Das Spiel lautete: Wer ist hier der Chef im Ring – wer weiß mehr – wer ist der Wichtigste im ganzen Land?
    Er hatte das Spiel nie gemocht und es immer vermieden, mitzuspielen. Er nahm nicht ohne Amüsement zur Kenntnis, dass es in Bad Löwenau in dieser Hinsicht nicht anders zuging als in der Großen Stadt. Rubin konnte den Kollegen sogar verstehen, er wollte keinen Fehler machen.
    Anderseits war Rubin froh, dass er den regulären Ablauf nicht eingehalten hatte, denn so wusste er jetzt schon Dinge, die er ansonsten erst später aus zweiter Hand erfahren hätte. Ohne seine Eigenmächtigkeit hätte er sich niemals ein persönliches Bild des toten Serkan machen können. Und das, so wusste er, war durch keine Expertenuntersuchung zu ersetzen.
    »Ich brauche eine Blutuntersuchung auf ein mögliches Gift«, sagte Rubin. »Wie lange wird das dauern?«
    Der ältere Mann warf sich in die Brust. »Das wird schneller gehen, als Sie gebraucht haben, um uns zu benachrichtigen. Wir verfügen in der Stadt über die modernsten technischen Mittel und die besten Pathologen. Die Untersuchungen leitet unser Professor Dr.   Schmittbauer. Wir schneiden bei Bewertungen in Fachmagazinen immer überdurchschnittlich ab.«
    »Das ist sehr beruhigend«, sagte Rubin.
    Der Mann verzog sein Gesicht. »Sie brauchen uns nicht an unsere Sorgfaltspflicht zu erinnern. Wir kennen unsere Aufgaben sehr genau und arbeiten schnell und präzise.«
    »Kann ich Sie anrufen?«
    »Nein, wir rufen Sie an«, sagte der Mann streng, gab seinem Kollegen das Zeichen zur Abfahrt und brachte in letzter Sekunde noch ein dünnes »Auf Wiedersehen« hervor.
    Das Betreten des Mini-Supermarkts war wie der Eintritt in eine fremde Welt: halb Bazar, halb Lagerhalle. Alles, was zum Verkauf angeboten wurde, befand sich auf schmucklosen Blechregalböden. Es standen Computer neben Nudeln und Dosensuppen, daneben stapelten sich Plastiktüten mit Erbsen, weißen Bohnen, Linsen und anderen Hülsenfrüchten. Es gab Handys in allen Größen und Farben und DVD s in ehemals schillernder Aufmachung, die die Zeit mittlerweile verblichen hatte. Nirgends sah Rubin eine dekorative Verzierung, jene kleinen, reizenden Dinge, die einen Raum schöner machten, ohne selbst etwas zu bedeuten. Rubin ließ den Blick schweifen. Im Verkaufsraum war niemand zu sehen. Nur zwei Fernseher dröhnten einsam vor sich hin. In einem lief ein Fußballspiel. Die Stimme des türkischen Reporters überschlug sich und klang heiser. Im anderen Fernseher tanzte eine blonde Frau zu orientalischer Popmusik, am unteren Bildrand

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