Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz
später noch einmal versuchen.«
Die von unzähligen winzigen Deckenlichtern hell erleuchtete Lobby des Hotels am Marktplatz war voller Menschen, die in Sesseln Zeitung lasen, in kleinen Gruppen beisammenstanden oder mit besorgten Mienen vor ihren Hartschalenkoffern diskutierten. Die meisten waren kostspielig und konservativ gekleidet, in blassen, dezent gemusterten Farben, und befanden sich in deutlich vorgerücktem Alter. Es waren auch Geschäftsreisende darunter mit bunten Krawatten und Sportparkas über ihren Anzügen.
Vor der Rezeption hatte sich eine Schlange gebildet. Rubin hörte ein Gespräch von Kurgästen mit an, die wegen der aktuellen Ereignisse auf der Stelle abreisen wollten. Eine Dame sagte spitz:
»Ich bedaure es sehr, aber diese Stadt ist leider nicht mehr sicher für uns! Wer weiß, was hier noch alles passieren kann! Und das Heilwasser kann man ja jetzt auch, wie mir zu Ohren gekommen ist, nicht mehr guten Gewissens genießen, nachdem da der Tote dringelegen hat. Eine Katastrophe ist das! Mein Mann und ich, wir reisen auf der Stelle ab.«
Das Paar, das mit gepackten Koffern hinter ihr stand, hatte dieselbe Absicht und denselben düsteren Gesichtsausdruck. Rubin wartete geduldig, bis er an der Reihe war. Freitag verfolgte das Treiben im Hotel mit Neugierde. Er freundete sich kurzzeitig mit einer Dackel-Dame an, bis ihre Herrin dem Spiel jäh ein Ende machte.
Als Rubin an die Spitze der Warteschlange vorgerückt war, zückte er die Notiz mit dem Namen des Hotelgastes und zeigte seinen Polizeiausweis.
»Ist Dr. Sommerlauch zu sprechen?«
»Ich versuche es gern, Herr Kommissar«, sagte die junge Frau an der Rezeption und wählte auf dem Haustelefon eine Nummer.
»Herr Dr. Sommerlauch? Die Polizei möchte Sie sprechen. Worum es geht? Das weiß ich auch nicht, ich habe nur den Auftrag … Er hat aufgelegt.«
»Können Sie mir die Zimmernummer nennen?«
»308, Herr Kommissar«, antwortete sie voller Ehrfurcht.
»Sagen Sie, könnte ich für einen Moment meinen Hund bei Ihnen lassen? Er beißt auch nicht.«
»Gerne, ich werde mich um ihn kümmern«, sagte sie und nahm Freitag zu sich. »Sei schön brav und mach nicht wieder Pipi«, sagte Rubin und schwenkte den Zeigefinger vor Freitags Schnauze. Die junge Frau an der Rezeption lächelte säuerlich, und Freitag wedelte unschuldig mit dem Schwanz.
Rubin nahm den Fahrstuhl und klopfte an die Zimmertür 308.
»Einen Moment«, hörte er jemanden von innen rufen, kurz darauf Flüstern zwischen einer männlichen und einer weiblichen Stimme.
Nach einer Weile riss ein hagerer Mann in weißem T-Shirt und Jeans die Türe auf.
»Mein Name ist …«, hob Rubin an, wurde aber lautstark von seinem Gegenüber unterbrochen.
»Die Polizei, so, so! Ich habe keine Ahnung, was Sie von mir wollen, und ich empfinde Ihren Besuch als impertinent! Eine Unverschämtheit ist das!«
Dr. Sommerlauch trat auf den Flur, die Zimmertür hinter ihm war nur einen winzigen Spalt geöffnet.
»Wollen wir unsere Unterhaltung nicht besser in Ihrem Zimmer führen?«, fragte Rubin.
Der Mann verzog wütend das Gesicht. »Nein, und ich werde überhaupt keine Unterhaltung mit Ihnen führen. Ich wüsste nämlich gar nicht, worüber. Und ich sage Ihnen noch etwas: Unbescholtene Bürger zu verdächtigen, das ist das Letzte, das ich von unserer Polizei erwartet hätte.«
»Ich habe nur ein paar Fragen«, sagte Rubin.
Der Mann atmete gehetzt, er hatte stechend helle Augen und einen bitteren Zug um die Mundwinkel. Er mochte um die fünfzig Jahre alt sein und bewegte sich hektisch und in abgehackten Bewegungen.
»Also, fragen Sie schon«, presste er hervor.
»Darf ich zuvor eintreten?«
»Nein, dürfen Sie nicht. Ich muss Sie nicht hereinlassen. Stellen Sie Ihre Fragen.«
Er wippte nervös mit einem Fuß, seine Augen waren nur noch schmale Schlitze.
»Also gut, wie Sie wünschen. Hatten Sie gestern einen Streit mit Serkan Arslan, dem …«
»Nein, hatte ich nicht!«
»Aber Sie waren im Mini-Supermarkt.«
»Ja, das stimmt. Leider.«
»Was wollten Sie dort?«
»Ich hatte drei Tage zuvor mein Smartphone zur Reparatur gegeben und wollte es abholen. Ich zeige Ihnen, in welchem Zustand es mir zurückgegeben wurde!«
Dr. Sommerlauch sprang mit einem Satz ins Zimmer und kehrte mit einem Telefon in der Hand zurück.
»Da, sehen Sie sich das an! Kratzer über Kratzer, als hätten diese Kümmeltürken damit Billard gespielt. Ich habe mich beschwert. Das war mein gutes
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