Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz
getobt, gestritten, geschrien? Hat er alles so hingenommen?«
Hassan steckte sich eine weitere Zigarette an und rieb sich die Lippe, er schüttelte langsam den Kopf und blickte zwischen Rubin und Bernstein hindurch herausfordernd ins Leere, Bernstein fixierte ihn, Freitag auch und spitzte die Ohren. Und Rubin? Er glaubte Hassan mittlerweile kein einziges Wort mehr.
Kurze Zeit später meldete sich Polizeiobermeister Schwarze am Telefon.
»Wollte Sie nur kurz auf dem Laufenden halten, Chef. Wir sind noch immer an den Befragungen dran.«
»Was haben Sie herausbekommen?«
»Na ja, nicht viel. Um genau zu sein, gar nichts. Keiner hat was bemerkt. Allerdings haben wir auch erst an die zwanzig Personen befragt. Ein paar am Marktplatz ansässige Geschäftsleute fehlen noch.«
»Zum Beispiel?«
»Der Metzger und Buchhändler Weimar.«
»Wie, Weimar heißt er? Das klingt ja richtig klassisch.«
»Ja, ja, Chef, also ich mach dann mit Jana Cerni weiter«, sagte Schwarze.
»Melden Sie sich wieder.«
Rubin steckte sein Handy in die Manteltasche und sagte mit einem Kopfschütteln: »Komisch, niemandem ist etwas Außergewöhnliches aufgefallen. Aber Schwarze hat noch nicht viele Menschen befragt. Kennst du Buchhändler Weimar?«
»Selbstverständlich kenne ich ihn. Und ihn kennen heißt ihn schätzen. Einen zweiten wie ihn findest du nicht in ganz Bad Löwenau. Ich bin sicher, er wird etwas wissen, etwas ahnen, mutmaßen oder schlussfolgern. Wenn du ihn aufsuchst, bestelle ihm einen herzlichen Gruß von mir.«
»Das werde ich tun.«
»Ach, und noch etwas, du könntest mir einen Gefallen tun. Ich habe ein Buch bei ihm bestellt, das müsste jetzt abholbereit sein. Ist auch schon bezahlt. Wäre schön, wenn du es mir mitbringen könntest. Oh, ich sehe gerade, ich muss mich sputen«, sagte Bernstein und starrte auf seine Uhr. »Ich habe einen Termin mit unserer Bürgermeisterin wegen der Baumaßnahmen an der Simultankirche, aber ich schätze, ich werde kurzfristig das Thema aktualisieren. Es ist allerhöchste Zeit. Ich muss mich noch umziehen.«
»Kannst du nicht gehen, wie du bist?«
»Unmöglich! Das war meine spezielle Dr.-Jekyll-and-Mr.-Hyde-meet-Fräulein-Freud-Garderobe. Für die Bürgermeisterin habe ich mir etwas ganz Besonderes ausgedacht – ich werde berichten!«
Rubin und Freitag machten sich auf den Weg zurück zum Marktplatz. Freitag war aufgeregt. Rubin fragte sich, was er an Hassan gewittert hatte. War es ein Duft aus dem Mini-Supermarkt?
Der Himmel über Bad Löwenau war jetzt eine endlose, dichte mausgraue Decke. Als er den Löwenbrunnen erreichte, stutzte Rubin. Es war niemand zu sehen, der Wasser schöpfte. Hatte die Nachricht von der Freigabe des Brunnens die Stadt noch nicht erreicht? Einige Touristen mit Stadtplan überquerten den Platz und reckten ihre Köpfe. Kinder rannten vorüber. Junge Mütter schoben Kinderwagen vor sich her und redeten mit ihren Babys wie mit Puppen.
Aber niemand steuerte den Brunnen an. Außer Freitag, der jedoch nicht, um Wasser zu schöpfen, sondern um welches zu lassen – und zwar direkt auf einen Haufen, den ein anderer Vierbeiner hinterlassen hatte.
Rubin rief den Golden Retriever zu sich und schimpfte ihn. Augenblicklich fühlte sich Freitag ertappt. Er legte den Kopf auf die Seite.
Als eben sein Handy geklingelt hatte, hatte Rubin nicht Schwarze erwartet, sondern die Gerichtsmedizin. Jetzt war er des Wartens müde. Er rief selbst an.
»Hauptkommissar Rubin, Polizei Bad Löwenau, ich möchte den verantwortlichen Arzt für die Blutuntersuchung von Serkan Arslan sprechen.«
»Das ist, glaube ich, Professor Dr. Schmittbauer«, antwortete ein junger Mann.
»Dann verbinden Sie mich bitte.«
»Bedaure, der Professor ist nicht da.«
»Ist er nicht im Haus?«
»Äh, nee, ich glaube, er ist außer Haus.«
»Kann ich ihn mobil erreichen?«
»Ja klar.«
»Und?«
»Und was?«
»Haben Sie die Nummer von Professor Schmittbauer?«
»Ich glaube, äh, nein … also, ich bin hier nur der Praktikant.«
»Wissen Sie wenigstens, wann der Professor zurückkommt?«
»Nee, keine Ahnung. Aber heute bestimmt nicht mehr.«
»Ich denke, Sie wissen es nicht.«
Am anderen Ende der Leitung wurde es sehr still.
»Ja, das ist richtig, es tut mir wirklich leid, Herr, äh, echt, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen. Ich könnte höchstens den Dr. Will fragen, ob der was weiß, aber ich weiß nicht, wo der gerade ist, ich …«
»Schon gut«, sagte Rubin, »ich werde es
Weitere Kostenlose Bücher