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Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Titel: Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt!«
    Weimar griff gezielt in ein Regal und zog ein Buch mit einem geblümten Einband hervor.
    »Das war sein Lieblingsbuch. Er hat mein vorletztes Exemplar gekauft: ›Die schönsten Liebesgedichte‹.«
    Er reichte Rubin den Band, der sich leicht in seinen Händen anfühlte; den Seiten entströmte ein Duftgemisch von süßem Parfum und Staub.
    »Wenn Sie gestatten, Herr Rubin, das war Serkans Lieblingsgedicht. Es stammt von Stefan George:
    Du schlank und rein wie eine flamme
    Du wie der morgen zart und licht
    Du blühend reis vom edlen stamme
    Du wie ein quell geheim und schlicht
    Du bist mein wunsch und mein gedanke
    Ich atme dich mit jeder luft
    Ich schlürfe dich mit jedem tranke
    Ich küsse dich mit jedem duft.«
    »Hm«, sagte Rubin.
    »Das sind die Worte eines Dichters, der in seinem Leben ein verdrehter Spinner war, der es jedoch verstanden hat, aus seinem Eigensinn eine Kunst zu machen: Das nenne ich Stil!«
    Rubin legte die Stirn in Falten. »Ich danke Ihnen, Herr Weimar.«
    »Bitte sehr, junger Freund, wenn ich sonst noch etwas für Sie tun kann.«
    Rubin fiel zuerst nichts ein, dann erinnerte er sich an Bernsteins Buch.
    »Ei natürlich«, rief Weimar begeistert, »das Buch ist schon geliefert worden. Einen Moment, ich hole es. Wenn Sie so freundlich wären, es Carl zu geben, würden Sie ihm und mir eine große Freude machen.«
    Weimar verschwand im Labyrinth seines Kellergewölbes und kehrte mit einem breiten Strahlen auf dem Gesicht zurück. Als Rubin den Titel las, konnte auch er ein Grinsen nicht unterdrücken.
    »Das Leben ist zu wichtig, um ernst genommen zu werden« von Tom Smart.

14
    Für Bürgermeisterin Franziska von Roth, die »Fürstin von Bad Löwenau«, hatte Bernstein eine ganz besondere Garderobe gewählt. Er wollte durch Schlichtheit punkten und war in die typische Kluft eines investigativen Reporters im Hollywood-Stil der siebziger Jahre geschlüpft: schwarz-weiß kariertes Hemd mit locker sitzender beigefarbener Cordkrawatte, den obersten Kragenknopf keck geöffnet; verwaschene Bluejeans, ein braunes Cordsakko mit Ellbogenpatches sowie Wildlederschuhe und Trenchcoat.
    So schwang sich Bernstein, bewaffnet mit Notizbuch, Füllfederhalter, Mikrofon und Rekorder, in das Vorzimmer der Bürgermeisterin im dritten Stock des Rathauses, hoch erhoben über den Dächern von Bad Löwenau.
    Die Büroassistentin begrüßte ihn freudestrahlend. »Hallo, Carl!«
    »Hallo, Judith. Dreimal gütiger Himmel, du siehst von Mal zu Mal blendender aus, mein Schatz. Wir sollten uns häufiger treffen, dann liegt dir binnen Kurzem die gesamte Stadt zu Füßen.«
    »Alter Charmeur, auf den Arm nehmen kann ich mich selbst.«
    »Irrtum, das kann ich weit besser, mein Engelchen.«
    Bernstein und Büroassistentin Judith Silberpfennig waren gemeinsam zur Schule gegangen. Sie waren sogar kurzzeitig einmal ein Paar gewesen. In der elften Klasse; Judith mit Zahnspange und Bernstein mit miserablen Noten. Sie hatte ihn abschreiben lassen und ihm so die Versetzung ermöglicht. Die große Liebe hatten sie einander nie geschworen. Trotzdem oder gerade deswegen hatten sie eine gute Zeit miteinander verbracht.
    Judith trug ein elegantes Kostüm, ihr Haar war blondiert, und sie war unauffällig, jedoch äußerst vorteilhaft geschminkt.
    »Kann ich rein zu ihr?«, fragte Bernstein und deutete auf eine dunkle Eichentür.
    »Moment noch. Die Chefin telefoniert. Nimm doch kurz Platz.«
    Bernstein schritt an zwei Stühlen vorbei zum Fenster. Er schaute hinab auf den Marktplatz. Vom dritten Stock sah der Löwenbrunnen wie eine Abbildung auf einem Kalenderblatt aus.
    »Die ganze Stadt spricht von nichts anderem als von dem Mord«, sagte Judith.
    »Wenn es ein Mord war.«
    »Was sollte es sonst gewesen sein, ein Unfall etwa?«
    »Keine Ahnung. Ein schlechter Scherz vielleicht, über den sich der Falsche totgelacht hat. Kanntest du Serkan persönlich?«
    »Ich gehe im Mini-Supermarkt einkaufen. Nicht oft, aber regelmäßig. Es gibt da ein paar tolle Sachen.«
    »Halva zum Beispiel.«
    »Genau. Allerdings muss ich sagen: Hassan ist schon sehr speziell.«
    »Wie wirkte Serkan auf dich?«
    »Als Kundin oder als Frau?«
    »Als Frau, die genau weiß, was sie will.«
    »Hm, schwer zu sagen, denn er war natürlich viel zu jung für mich. Trotzdem eine interessante Erscheinung, gepflegt, schüchtern, verträumt. Irgendwie auch seltsam.«
    »Wie das?«
    Judith zuckte zusammen. »Was wird das hier eigentlich,

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