Da muss man durch
Schneider stammen wie seine Zweireiher. Ich war nicht auf Tennis vorbereitet und
habe lediglich ein paar Laufschuhe eingepackt. Zu denen trage ich jetzt irgendeine kurze Hose und irgendein T-Shirt . Das ist aber auch egal, weil mein Ruf in modischer Hinsicht sowieso ruiniert ist.
«Was halten Sie von einem Match?», fragt Timothy nach ein paar Ballwechseln zum Warmwerden.
«Gerne», antworte ich prompt. Die Frage habe ich schon erwartet, deshalb entgegne ich direkt: «Ihr Aufschlag, Timothy.»
Wir einigen uns darauf, die Seiten nicht während des Matches zu wechseln, ansonsten gelten die offiziellen Regeln.
Timothy schlendert lässig zur Grundlinie: «Möchten Sie vielleicht um einen Einsatz spielen, damit es interessanter wird?»
«Ja, ich würde gern mein Sommerhaus in den Hamptons setzen», erwidere ich und schlendere ebenso lässig zur Aufschlaglinie.
|48| Timothy stutzt, dann erwidert er: «Okay, ich setze ein Londoner Stadthaus dagegen. Ich denke da an eines in Notting Hill.
Es wird Ihnen gefallen.»
Jetzt stutze ich. «Das war nur ein Witz. Ich habe überhaupt kein Sommerhaus in den Hamptons», sage ich, während ein Schmetterball
an mir vorbeirauscht und hinter mir in den Maschendrahtzaun rasselt.
Timothy grinst. «Das habe ich mir schon gedacht. Ich hätte sowieso kein Interesse an einem Haus in den Hamptons. Ist schon
lange keine gute Gegend mehr.» Er zeigt mir den nächsten Ball. Ich nicke und begebe mich leicht verärgert in Position. Ich
finde, es reicht, dass Timothy den ersten Punkt gemacht hat, da muss er nicht auch noch das letzte Wort haben.
Eine ganze Weile ist das Spiel ausgeglichen, zumindest sehe ich es so. Wir schenken uns nichts und kämpfen verbissen um jeden
Ball. Immer wieder bringe ich Timothy in arge Bedrängnis, aber er schafft es beständig, seinen Kopf aus der Schlinge zu
ziehen. Ich muss zugeben, er spielt ziemlich gut.
Ich habe das Gefühl, wir spielen knapp drei Stunden, weshalb es mich überrascht, dass das Match nach fünfunddreißig Minuten
vorbei ist. Timothy gewinnt mit sechs zu null, sechs zu null und sechs zu null. Während ich schweißüberströmt feststelle,
dass mein linkes Bein ein bisschen zittert, zieht Timothy einen Kamm hervor und bringt damit eine Haarsträhne, die ihm während
des Spiels ins Gesicht gefallen ist, wieder in Form. Er sieht jetzt exakt so aus wie vor dem Match.
«Sind Sie sicher, dass Sie zwei Stunden durchstehen?», fragt er.
Nein. Ich bin sicher, dass man für mich bereits in zehn |49| Minuten eine schöne Seebestattung organisieren kann, wenn ich mich weiterhin so abrackern muss wie in der letzten halben
Stunde.
«Selbstverständlich», sage ich. «Seitenwechsel.»
Auf der anderen Seite herrschen wesentlich bessere Lichtverhältnisse, ich bin überzeugt, Timothy hat deshalb gewonnen. Ich
komme trotzdem nicht so richtig ins Spiel. Einen Ball verliere ich, weil mich mein zitterndes Bein zu Fall bringt, einen
anderen, weil ich aufgrund von Kreislaufproblemen kurzzeitig erblinde.
Beim Stand von sechs zu null und sechs zu null beschließe ich, diesen Vormittag als Erfolg zu werten, wenn es mir gelingt,
auch nur ein einziges gottverdammtes Spiel zu gewinnen. Obwohl die Temperatur auf dem Platz beständig steigt und ich mit leichter
Besorgnis Lähmungserscheinungen in meinem linken Arm bemerke, kämpfe ich wie ein Löwe.
Es steht fünf zu null im dritten Satz, als mir im sechsten Spiel ein Einstand gelingt, der die alles entscheidende Wende
bringen könnte.
Da klingelt plötzlich Timothys Handy. Es ist Iris. Er zuckt bedauernd mit den Schultern: «Entschuldigen Sie bitte, aber das
wird länger dauern. Vielen Dank, Sportsmann. Hat Spaß gemacht mit Ihnen.»
Er wirft sich sein unbenutztes Handtuch über die Schulter, verlässt den Platz und schlendert telefonierend in den Garten.
Ich humpele zur Bank und setze mich. Ich könnte die Sache so auslegen, dass Timothy mit dem Verlassen des Platzes nach internationalem
Reglement das Spiel aufgegeben hat. Die Wahrheit ist, er hätte keine drei Minuten gebraucht, um auch diesen Satz zu gewinnen.
Ich sollte mich |50| deshalb nicht grämen, sondern darüber freuen, dass ich dem Tod nochmal von der Schippe gesprungen bin.
Als ich etwas später mein Zimmer betrete, geht es mir bereits besser. Ich habe noch eine Stunde Zeit bis zur ersten Sitzung,
genug für eine kalte Dusche und ein leichtes Frühstück. Ich öffne die Tür zum Bad. Zu meinem großen Erstaunen
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