Da muss man durch
irischen Pub, dessen Hauptattraktionen ein verstaubter Dudelsack und eine völlig
zersiebte Dartscheibe sind, und versuche verzweifelt, durch immer neue Lockangebote doch noch eine sinnvolle Kooperation
auf die Beine zu stellen. Aber die Antwort ist immer dieselbe.
«Warum sollten wir das tun, Paul? Der Karsten und ich können prima von unserem kleinen Internetservice leben.» Walther Peters
hält mir sein Handgelenk hin. «Hier. Rolex. Zwölf große Scheine. Der Beweis dafür, dass bei |161| uns alles super läuft. Der Karsten hat auch eine. Zeig mal, Karsten.»
Karsten hebt den Arm, um mir seine Rolex zu zeigen, der Wirt missdeutet das als Bestellung: «Noch drei?» Walther nickt.
«Ja. Momentan läuft bei euch alles rund», unke ich. «Aber falls euch jemand Konkurrenz macht, dann ist es besser, einen
starken Partner an der Seite zu haben.»
«Aber ihr seid kein starker Partner», stellt Walther nüchtern fest und nimmt einen großen Schluck Bier.
Da hat er recht. Während die Autobörse der Peters-Brüder wächst und gedeiht, rauschen unsere Umsatzzahlen weiter in den Keller.
«Das stimmt so nicht», lüge ich. «Wir haben gute Rücklagen und traditionell eine enge Kundenbindung. Saisonale Auflagenschwankungen
sind völlig normal. Unser Kerngeschäft läuft tadellos.»
«Aber dann ist doch alles in Ordnung», sagt Walther mit dreckigem Grinsen. «Euch geht’s gut. Uns geht’s gut. Warum müssen
wir da noch kooperieren?»
Die ehrliche Antwort wäre, weil der Verlag finanziell auf dem Zahnfleisch geht. Ich habe Timothy dazu bewegen können, drastische
Kostenreduktionen erst im neuen Jahr vorzunehmen, um die Mitarbeiter nicht kurz vor Weihnachten in Panik zu versetzen. Es
blieb uns aber nichts anderes übrig, als sämtliche Jahresgratifikationen zu streichen, weshalb im Verlag trotzdem die Angst
vor einer Entlassungswelle umgeht. Engelkes hat mir unter vier Augen ein Konzept zum Personalabbau vorgestellt, das mich
an die Schlacht bei Trafalgar erinnert. Er will mehr als ein Drittel unseres Personals einsparen und nebenbei die komplette
Marketingabteilung dichtmachen. Dass er derart |162| schnell zum eiskalten Sanierer mutieren würde, hätte ich nicht gedacht. Eigentlich ist er mir nun sogar ein bisschen unheimlich.
Schamski hat für seine Verkäufer höhere Umsatzziele definiert und eine Reihe von Werbepaketen geschnürt, um den Anzeigenverkauf
anzukurbeln. Die Ergebnisse sind alles andere als zufriedenstellend.
«Selbst meine besten Leute haben Probleme damit, die Produkte am Markt durchzusetzen.» Schamski wirkt zerknirscht.
«Was sollen wir machen? Wir können mit den Preisen nicht noch weiter runter», erwidere ich mit leichter Verzweiflung.
«Schon klar. Aber genau deshalb wandern die Kunden ins Internet ab. Die Resonanz ist ähnlich gut wie in unseren Printprodukten,
und die Kosten sind wesentlich geringer. Gibt es denn Fortschritte mit den Peters-Brüdern?»
Ich schüttele den Kopf. «Wäre schön, wenn der Teufel sie holen könnte, aber ich fürchte, sie würden sich auch da querstellen.»
Burger hat es immerhin geschafft, durch eine Marketingaktion die Auflage unserer Tageszeitung zu stabilisieren. Das hat viel
Geld gekostet, trotzdem verflüchtigt der Effekt sich bereits wieder. Wahrscheinlich liegt Engelkes mit seiner Idee, ganz
aufs Marketing zu verzichten, also gar nicht so falsch.
Am meisten frustriert mich, dass sämtliche Sparmaßnahmen uns nicht in die Gewinnzone bringen werden. Unser Schiff wird weiter
sinken, selbst wenn wir sämtlichen Ballast über Bord werfen, Dr. Burger eingeschlossen.
Die Banken halten noch eine Weile still, allerdings bestehen sie darauf, kurzfristig Sicherheiten zu bekommen. |163| Wie ich mit Erschrecken von Timothy erfahren habe, ist das Verlagsgebäude bereits beliehen. Görges sah sich offenbar vor
seiner Demission zu diesem Schritt gezwungen, um den Status quo aufrechtzuerhalten. Ich wusste zwar von seinen Plänen, zur
Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe auf unsere stillen Reserven zurückzugreifen. Dass er aber gezwungen war, den
Laden quasi als letzte Amtshandlung noch bis an die Halskrause zu verschulden, hat mein Vorgänger mir klugerweise verschwiegen.
Die Entwicklung im Verlag ist an mir nicht spurlos vorübergegangen. Ich habe wieder mit dem Rauchen angefangen und bringe
es an schlechten Tage auf zwei Packungen. Und praktisch alle Tage sind schlecht. Mein Weinkonsum beläuft sich auf
Weitere Kostenlose Bücher