Da muss man durch
sie von ihrem im Rollstuhl sitzenden Mann mit einer bulimischen Metzgersfrau
betrogen wird, die ihren Gatten mit einem Bolzenschussgerät ins Jenseits befördert hat.»
«Oh», sagte ich leicht fassungslos. «Das klingt … ähm … ziemlich … wie soll ich mich ausdrücken? Ehrlich gesagt, es klingt ziemlich bescheuert.»
|169| Nela lachte auf. «Es ist total bescheuert!» Und mit einem verführerischen Augenaufschlag fügte sie hinzu: «Aber du würdest
nicht glauben, wie viele Typen mir dafür Komplimente machen, nur um mich ins Bett zu kriegen.»
«Doch», erwiderte ich prompt. «Würde ich sofort.»
Sie sah mich an, und das Eis war gebrochen.
Ich habe mir inzwischen eine Folge von
Geliebte Leidenschaft
angesehen und war bestürzt darüber, wie viele menschliche Tragödien man in eine halbe Stunde pressen kann. Nela hat mir erzählt,
dass dem Zuschauer im Minutentakt Inzestfälle, zerrüttete Ehen, Mordversuche oder seltene Krankheiten vorgesetzt werden
müssen, weil die Leute sonst aus lauter Langeweile einfach umschalten. So weit zumindest der Stand der Marktforschung.
Jedenfalls sagen die Schauspieler so Sätze wie: «Ich schäme mich. Glaub mir, mein Liebling, wenn ich diese fürchterliche
Sache ungeschehen machen könnte, ich würde alles, wirklich alles, dafür tun.» Ich vermute, so lautet auch die Antwort
des Regisseurs, wenn seine Frau ihn abends fragt: «Hallo, Schatz, wie war dein Tag?»
Nela ist jung, schön und unkompliziert. Genau das sind die drei Gründe, warum ich mit ihr eine Affäre angefangen habe. Sie
dürfte das ähnlich pragmatisch sehen, denn unsere Verbindung basiert nicht auf Liebe, sondern auf einer stillen Übereinkunft.
Ich verbringe gern Zeit mit ihr, möchte aber im Moment keine feste Beziehung. Sie genießt es, dass ich ihr ein wenig Luxus
biete, will aber sicher nicht ihr Leben an der Seite eines fast zwanzig Jahre älteren Mannes verbringen, der ständig telefoniert.
Wir sind also eine Art wechselseitige emotionale Zwischenfinanzierung. Zwei Trostpreise, die im Regal des Lebens zufällig
nebeneinanderstanden.
|170| Ich bin alles andere als stolz auf die Affäre mit Nela, aber momentan fehlt mir die Kraft, etwas daran zu ändern. Immerhin
schleppt sie mich gelegentlich in ein Theater oder Kino, was nicht nur dazu führt, dass ich zumindest an diesen Abenden
meinen Alkohol- und Nikotinkonsum einschränke, sondern auch für ein paar Stunden meine beruflichen Probleme vergessen kann.
Außerdem haben wir guten Sex, was ja auch nicht zu verachten ist. Sollte mir aufgrund der desaströsen Entwicklung im Verlag
mein berufliches Waterloo bevorstehen, so werde ich wenigstens nicht ungevögelt zu Boden gehen. Momentan versuche ich also,
die Situation so zu nehmen, wie sie ist, ohne in Selbstmitleid zu zerfließen. Das passiert mir zwar trotzdem gelegentlich,
wenn ich ein paar Flaschen Wein gekippt habe und Fred mein einziger Zuhörer ist, aber ich bemühe mich, diesem Gefühl nicht
zu viel Raum zu geben. Schlimmer als ein Mann in der Krise ist nur einer, der obendrein jammert.
Ich habe mich deshalb entschlossen, dem neuen Jahr optimistisch entgegenzusehen. Weihnachten werde ich allein verbringen,
vielleicht ein Konzert besuchen oder ein gutes Buch lesen. Ich könnte zwar zu Schamski und Melissa nach London fliegen, möchte
aber deren Familienplanung nicht behindern. Ich kann mir schon denken, wie die beiden das Fest der Liebe interpretieren werden.
Da störe ich nur. Auch Iggy und Günther haben mich eingeladen. Bei ihnen müsste ich mich als ehrenamtlicher Paartherapeut
betätigen, worauf ich ebenfalls verzichten kann. Bronko wird Weihnachten bei seiner Schwester Kathrin und deren Mann Rüdiger
verbringen. Mit Kathrin hatte ich mal eine kurze Affäre. Damals hat sie mich verlassen, um Rüdiger zu heiraten. Moralisch
gesehen steht mir für diese |171| Schmach zwar eine Entenkeule mit Rotkohl zu, aber ich will keine alten Wunden aufreißen. Schon gar nicht am Heiligabend.
Dass Nela über die Feiertage ihre Familie in Prag besuchen würde, war schon länger klar. Sie ist aber am zweiten Weihnachtstag
wieder da, um mit mir in ein hübsches Hotel am Meer zu fahren, wo wir Silvester feiern wollen. Ich habe mir fest vorgenommen,
die Arbeit zwischen Weihnachten und Neujahr komplett auszublenden.
Derart motiviert durch meine guten Vorsätze, beschließe ich, einen detaillierten Plan für die Feiertage zu erstellen, um
die
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