Da muss man durch
Kaufpreis in die Höhe treiben.»
Ich stutze. Gute Idee. Nachdenklich blicke ich zu Timothy, der ebenfalls überlegt und dann erwidert: «Ich könnte die Verhandlungen
über eine meiner Londoner Firmen führen.»
«So machen wir es», entscheide ich. «Was haben wir sonst noch auf der Agenda?» Ich blicke in die Runde, aber niemand meldet
sich. Engelkes ist mit seinem Tee beschäftigt, Burger wirkt immer noch paralysiert, Schamski und Timothy haben wohl momentan
keinen weiteren Gesprächsbedarf.
Ich überlege, ob ich zu rabiat gewesen bin. Görges hätte sich Burgers Pläne zumindest angehört, um ihn dann diplomatisch
darauf einzustimmen, dass es finanzielle Probleme bei der Realisation geben könnte. Das Ergebnis wäre zwar gewesen, dass
Burger weitere Monate mit einem hoffnungslosen Projekt verplempert hätte, aber immerhin |155| wäre er nicht zu Tode beleidigt gewesen. Ich weiß, dass wir nicht viel Zeit haben, um die Talfahrt des Verlages aufzuhalten.
Deshalb tröste ich mich damit, dass ich nun mal Sachzwängen unterworfen bin. Außerdem hat Görges’ diplomatischer Führungsstil
die Krise nicht verhindert, sondern ganz im Gegenteil dazu geführt, dass wir uns zu lange mit Nebensächlichkeiten aufgehalten
haben.
Wie zur Bestätigung meldet sich in diesem Moment Frau Preez zu Wort: «Wenn die Herren keine weiteren Punkte mehr haben, dann
würde ich gerne noch anregen, das Getränkeangebot für unsere Gäste zu verbessern. Wir haben nur zwei Teesorten im Sortiment,
Darjeeling und Assam. Ich finde, wir sollten noch Earl Grey und einen grünen …»
«Besprechen Sie das einfach mit Mr. Huntington», unterbreche ich und erhebe mich. Genau auf solche Diskussionen habe ich keine Lust mehr.
Auf dem Weg zum Büro möchte Engelkes mich sprechen. Trifft sich gut, ich wollte ihn ja sowieso noch fragen, wieso er Bewerber
vorschlägt, die den Job, für den sie sich beworben haben, eigentlich nicht machen wollen.
Engelkes kommt mir zuvor. «Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass Frau Dahlen zur Bewerbungsrunde eingeladen wurde.»
Erstaunt bleibe ich stehen.
«Sie hatte sich als Sekretärin beworben. Die Privatdozentin für …»
«Ich erinnere mich», unterbreche ich. «Aber wieso entschuldigen?»
«Es war ein Versehen», erklärt Engelkes. «Ich hatte die Akte schon nach dem Vorgespräch aussortiert. Aber sie ist trotzdem
bei meinem Assistenten gelandet, und der hat Frau Dahlen eingeladen. Mir ist das erst später aufgefallen. |156| Es war mein Fehler. Wie Sie wissen, bin ich momentan privat sehr stark eingebunden …» Er lächelt unsicher.
Ich nicke wohlwollend. Noch vor ein paar Monaten hielt Engelkes meine Personalpolitik für inhuman, weil ich seiner Meinung
nach zu wenig auf die persönlichen Befindlichkeiten von Bewerbern und Mitarbeitern einging. Jetzt ist er selbst Personalchef
und entschuldigt sich dafür, dass er eine Soziologin mit einem Faible für Wanderarbeiter versehentlich zum Bewerbungsgespräch
eingeladen hat. Schon erstaunlich, wie aus einem glühenden Humanisten binnen weniger Lidschläge ein braver Vorarbeiter im
Bergwerk des Kapitalismus werden kann.
«Kein Problem», sage ich. «Schwamm drüber.»
Engelkes wirkt erleichtert. «Danke, Dr. Schubert.»
Ich nicke väterlich. Er macht sich auf den Weg. Während ich ihm hinterhersehe, frage ich mich, ob ihm wohl selbst aufgefallen
ist, wie sehr er sich verändert hat. Falls ja, wird er das vermutlich auf seine persönliche Situation geschoben haben. Er
hat geheiratet, wird bald Vater und muss sich nebenbei in einem Job beweisen, für den er eigentlich noch ein paar Jahre
zu jung ist. Das kann einen Mann schon verändern.
Auf dem Weg zum Büro überlege ich, wie lange es bei mir gedauert hat, bis ich die Mechanismen des Geschäftslebens verinnerlicht
hatte. Ich glaube, es ging ähnlich rasant wie bei Engelkes. Da die Regeln der Macht einfach und bewährt sind, braucht man
nicht lange, um von ihrer universellen Gültigkeit überzeugt zu sein. Die Entwöhnung hingegen dauert Jahre. Es ist ein bisschen
wie beim Rauchen. Man probiert ein paar Züge, und ab diesem Moment hängt man drin.
Im Büro angekommen, muss ich meine Selbstbetrachtungen |157| vorerst beenden, weil Frau Preez mich anruft. Gordon ist in der Leitung.
«Hallo, Gordon.»
«Hallo, Paul.»
Er klingt entspannt. Wenn er sauer ist, wovon ich ausgehe, dann kann er es ganz gut verbergen. «Was kann ich für dich
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