Da muss man durch
zwei bis
drei Flaschen pro Abend, ich schlafe nicht gut, esse unregelmäßig, saufe zu viel Kaffee, und meine sportlichen Aktivitäten
beschränken sich darauf, schnaufend die paar Treppenstufen zu meiner Wohnung zu erklimmen. Schaffe ich es mal, mit Fred
in den Park zu gehen, verbringe ich die meiste Zeit damit, auf einer Bank zu sitzen und zu telefonieren.
Normalerweise lasse ich Fred aber sowieso zu Hause. Bronko kümmert sich um ihn. Als die chinesische Mafia über Wochen nichts
von sich hören ließ, beschloss Bronko, sein Leben wiederaufzunehmen und sich einen Job zu suchen. Nach einem Intermezzo
als Telefonverkäufer, bei dem er aufgrund nicht vorhandener Umsätze kein Gehalt erhielt, versuchte er sich als Pizzalieferant.
Bedingt durch seine Sehschwäche, zuckelte Bronko mit dreißig Stundenkilometern von Kunde zu Kunde und erledigte nur einen
Bruchteil der Bestellungen. Noch vor Ende der Schicht bekam er die Kündigung und zum Trost obendrein eine ofenfrische |164| Pizza Margherita. Als er damit heimkam, war auch die kalt.
Danach bot ich Bronko an, sich um Fred zu kümmern und Besorgungen für mich zu erledigen. Gegen Bezahlung, versteht sich.
Bronko zierte sich zunächst, doch dann war er einverstanden. Da sich im Haus herumgesprochen hat, dass er weiß, welche
Läden das beste Angebot haben, ist er inzwischen auch als Einkäufer für zwei ältere Damen tätig. Das ist nicht ganz unproblematisch,
denn die beiden besitzen einen Pudel, und Fred hat Bronko schon einige Male nicht in meine Wohnung gelassen, weil er zu
intensiv nach Pudel roch.
Iggy ist inzwischen aus Kansas zurückgekehrt. Nur einen Tag nach Günthers spektakulärer Flucht rief sie bei mir an und wollte
wissen, ob ihr Mann gut angekommen sei und die Strapazen der langen Reise unbeschadet überstanden habe.
«Aber du hast ihr nicht gesagt, dass ich hier bin, oder?»
«Klar hab ich ihr das gesagt. Und ich hab ihr auch gesagt, dass dir alles sehr leidtut und du einfach die Nerven verloren
hast.»
«Na toll!», maulte Günther und wechselte für den Rest des Tages kein Wort mehr mit mir.
Drei Wochen lang versuchten Iggy und Günther ihre Eheprobleme telefonisch zu lösen. Sie sprachen fast täglich miteinander,
manchmal stundenlang. Die Telefongesellschaft verlieh mir daraufhin den Titel
Platinkunde
und schenkte mir obendrein ein Filofax mit einem Einband aus Kalbslederimitat, verbunden mit den besten Wünschen für ein
erfolgreiches und gesundes neues Jahr. Angesichts meines Lebenswandels und meiner beruflichen Situation klang der Brief reichlich
zynisch.
|165| Inzwischen wohnt Iggy bei einer Freundin und hat sich einen Job als Kellnerin gesucht. Eigentlich wollte sie wieder im Pan
Tao anfangen, wo sie gearbeitet hat, als sie Günther kennenlernte. Aber der Laden ist jetzt ein Szenetreff und stellt nur
noch Studentinnen mit Modelmaßen ein, die in adretten blauen Schürzen bunte Drinks durchs hippe Publikum jonglieren.
Iggy ist Ende dreißig und sieht ein bisschen verlebt aus. Sie verkörpert also eher den Typ der schlechtgelaunten traditionellen
Kellnerin. Ich habe ihr empfohlen, im Green Meadow nachzufragen, weil ich wusste, dass dort Personal gesucht wurde. Sie
wurde mit Kusshand genommen.
Günther und Iggy treffen sich fast täglich und reden darüber, wie es mit ihnen weitergehen soll. Ihre Ehe ist zwar noch nicht
am Ende, aber ein neuer Anfang ist auch nicht in Sicht.
Günther hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Tageweise lässt er sich als Programmierer anheuern. Seiner miesen Laune
nach zu urteilen, ist er mit den Aufträgen hoffnungslos unterfordert. Weil er den Job bei der CIA vor Vertragsende geschmissen
hat, haben die Amerikaner ihm den Laufpass gegeben. Zusammen mit seinem letzten Scheck hat Günther einen indignierten Brief
aus Kansas bekommen. Das Schreiben klingt zwar höflich, macht aber trotzdem unmissverständlich klar, dass Günther selbst
dann keinen Job mehr bei einer amerikanischen Bundesbehörde bekäme, wenn er sich für die Reinigung der Spucknäpfe bewerben
würde.
Die Sache mit dem Job nimmt Iggy ihm besonders übel.
«Der Vertrag war gut dotiert, und die Arbeit hat dir gefallen, oder etwa nicht?» Iggy und Günther sitzen in meiner Küche
und diskutieren wieder mal. Ab und an muss ich |166| dabei den Schiedsrichter spielen, obwohl ich meine Feierabende lieber mit einer Flasche Wein vor dem Fernseher verbringe.
Günther nickt.
«Und du hast
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