Da muss man durch
den Job vor Vertragsende erledigt. Man hätte dir also wahrscheinlich ein neues Projekt anvertraut, richtig?»,
setzt Iggy nach.
Wieder nickt Günther.
«Und vielleicht wäre dir sogar eine Festanstellung angeboten worden», mutmaßt Iggy.
Günther wiegt den Kopf hin und her. «Ja. Vielleicht», murmelt er.
«Und spätestens dann hätten wir uns problemlos ein Haus in Kansas leisten können», schlussfolgert Iggy.
Günther schweigt schuldbewusst.
«Na ja», mische ich mich ein, weil Günther mir gerade leidtut. «Trotzdem kann ich ihn verstehen. Hätte ich die Perspektive,
meinen Lebensabend auf einer Veranda in der Prärie zu verbringen, wäre ich wahrscheinlich auch auf einen anderen Kontinent
geflüchtet.»
Iggy sieht mich wütend an, dann springt sie unwirsch auf, schnappt sich ihre Jacke, und verlässt türenschlagend die Wohnung.
«Danke», sagt Günther. «Das hätte ich nicht besser formulieren können.»
Während Günther und Iggy also noch diskutieren, ob sie überhaupt eine Familie gründen wollen, sind Schamski und Melissa
bereits hingebungsvoll dabei, diesen Plan in die Tat umzusetzen. Schamskis Wochenendtrips nach London haben dazu geführt,
dass er sein Leben völlig auf den Kopf gestellt hat. Um den mit Melissas Kinderwunsch verbundenen sexuellen Strapazen körperlich
gewachsen zu |167| sein, raucht er nur noch höchstens fünf Zigaretten am Tag, hat seinen Weinkonsum drastisch reduziert und durch Yoga und
Schwimmen ein paar Pfund abgenommen. Melissa und sein Hausarzt sind jedenfalls gleichermaßen begeistert von seiner physischen
Konstitution. Obwohl ich nicht weiß, wie die beiden es bewerkstelligen wollen, ein Familienleben über den Ärmelkanal hinweg
zu führen, und ich mir deshalb auch Sorgen mache, dass Schamski in naher Zukunft seinen Job an den Nagel hängen und nach
London ziehen wird, gönne ich den beiden ihr Glück von ganzem Herzen. Und dass Schamski glücklich ist, ist unübersehbar.
Während Günther die Vorstellung, Vater zu werden, in eine Angststarre versetzt, wird Schamski von dieser Aussicht beflügelt.
Er hat sogar schon mit dem Gedanken gespielt, seinen Sportwagen zu verkaufen und einen familientauglichen Pkw anzuschaffen.
Einen größeren Liebesbeweis kann ich mir bei Schamski kaum vorstellen. Inzwischen ist der Plan wieder vom Tisch, weil Porsche
glücklicherweise versichert hat, dass man Schamskis Boliden problemlos mit einem Kindersitz ausstatten kann. Gleichzeitig
hat man ihm gesagt, dass die Nachrüstung keine fünf Minuten dauert. Schamski habe also noch genügend Zeit, sich darüber
Gedanken zu machen, wenn sein Kind wenigstens schon mal gezeugt wäre.
Gewöhnlich treten Schamski und Timothy freitags nach Büroschluss gemeinsam die Fahrt zum Flughafen an. Da beide das gleiche
Ziel haben, hat sich das so ergeben. Eine Weile habe ich versucht, mir einzureden, dass solche Wochenendbeziehungen mir
persönlich viel zu anstrengend wären. Die Wahrheit ist, dass ich die beiden beneide, wenn sie freitags mit ihrem Handgepäck
vorm Verlagsgebäude aufs Taxi warten. Manchmal stelle ich mir vor, ich wäre an |168| Timothys Stelle und würde jetzt zu Iris fliegen. Der Gedanke an sie gibt mir zwar immer noch einen leichten Stich, aber es
wird stetig besser. In dieser Hinsicht ist es gut, dass ich sie seit Mallorca nicht mehr gesehen habe. Sie ist tatsächlich
kein einziges Mal nach Deutschland gekommen, um Timothy zu besuchen.
Anfangs habe ich meine Wochenenden damit verbracht, eine Kiste Wein in mich hineinzuschütten und wie besessen zu arbeiten.
Auf Dauer ist das aber zermürbender als französische Kunstfilme. Außerdem werden miese Umsatzzahlen nicht dadurch besser,
dass man sie immer und immer wieder durchrechnet.
Auf der Suche nach Zerstreuung bin ich vor ein paar Wochen in einer Bar gestrandet, wo ich Nela kennengelernt habe. Sie ist
eine fünfundzwanzigjährige Deutschtschechin, die wohl mehr wegen ihres makellosen Körpers und weniger aufgrund ihrer schauspielerischen
Fähigkeiten als Nebendarstellerin in einer T V-Soap mitwirkt.
«Kenne ich die Serie?», fragte ich Interesse heuchelnd.
Nela lächelte charmant und zuckte mit den Schultern. «Keine Ahnung. Sie heißt
Geliebte Leidenschaft
und läuft im Vorabendprogramm. Ich spiele eine blinde Krankenschwester, die Depressionen hat.»
«Das hört sich nach einer sehr traurigen Geschichte an», erwiderte ich.
Nela nickte ernst. «Ja. Die Frau ist depressiv, weil
Weitere Kostenlose Bücher