Da muss man durch
darüber zu freuen, dass es auf
Mallorca wieder mal wärmer ist als im kalten und verregneten Deutschland.
Der verwüstete Wochenmarkt lieferte der Presse eine willkommene Abwechslung. Freds Untaten waren einem der Blätter sogar eine
Titelstory wert. Unter der Überschrift «Der Hund ist los!» prangte ein großformatiges Foto, das Fred beim Anzünden des Textilstandes
zeigte. Das Bild muss irgendein Marktbesucher geschossen haben. Ich bewahre die Zeitung auf, damit ich immer daran erinnert
werde, wer mir das alles eingebrockt hat. Außerdem kann ich mich damit zudecken, wenn es kälter wird.
Unser Vermieter hat uns rausgeworfen. Die Frau mit dem Rollator ist seit fast zwanzig Jahren mit ihm verheiratet. Alle Versuche,
sie milde zu stimmen, sind fehlgeschlagen. Da wir uns das Haus sowieso nicht mehr leisten können, ist das aber nicht weiter
tragisch.
Ursprünglich wollten wir eine Weile bei Henning unterkommen, aber der hat den unglücklichen Markttag als Wink des Schicksals
verstanden und beschlossen, nach Deutschland zurückzukehren. Seine Konzession liegt sowieso auf Eis. In der Uckermark hat
er eine kleine Datscha, dort will Henning ganz von vorn anfangen. Seine Frau Clarissa wohnt jetzt wieder auf der Finca,
zusammen mit den Kindern und ihrem Freund Rocco. Dass die beiden eine Affäre haben, hat Clarissa Henning inzwischen gestanden. |227| Früher oder später hätte er es sowieso erfahren, denn Clarissa ist im vierten Monat schwanger.
In gewisser Weise hat es etwas Befreiendes, mit seinen besten Freunden an der mallorquinischen Küste zu sitzen, Wein zu
trinken, Fisch zu essen und dem Sonnenuntergang zuzusehen, obwohl man nicht weiß, wie man den morgigen Tag bestreiten soll.
Irgendwie schmeckt die Luft nach Freiheit, außerdem gibt es Schlimmeres, als pleite zu sein. Während sich andere Leute mit
Ratenkrediten, vermurksten Ehen und langweiligen Jobs herumplagen müssen, leben wir eben von jetzt an für den Augenblick.
Unser gesamtes Hab und Gut befindet sich in meinem klapprigen Kastenwagen. Neben zwei Koffern mit Kleidung und ein paar lumpigen
Kröten ist mir sonst nichts geblieben.
«Nun lass ihn schon an den Tisch kommen», bittet Günther.
«Kommt nicht in Frage», erwidere ich entschieden. «Er hält Abstand. Mindestens fünf Meter. Und damit basta.»
Fred hockt ein paar Meter von unserem Tisch entfernt. Seit der Sache auf dem Marktplatz sind wir auf Distanz, weil ich sauer
auf ihn bin. Fred hat das nur zu gut verstanden, Günther offenbar noch nicht.
«Es ist jetzt immerhin schon ein paar Wochen her», wirft Schamski ein.
«Mir egal», sage ich. «Er kann froh sein, dass ich ihn überhaupt behalte. Andere Hunde sind schon für weniger im Tierheim
eingerückt.»
Eine Weile ist nur das Klappern des Bestecks zu hören. Der Seeteufel in Salzkruste ist ausgezeichnet, dazu gibt es einen
ordentlichen Weißwein von der Insel. Trotzdem ist die Stimmung merklich angespannt.
|228| «Im Grunde hat Fred doch alles richtig gemacht», sagt Bronko, lehnt sich entspannt zurück und nimmt einen Schluck Wein.
Alle sehen erstaunt in seine Richtung.
Bronko lächelt. «Na ja. Er hat sich durch nichts aufhalten lassen, um zu seiner Geliebten zu kommen. Er hat gekämpft wie
ein Löwe, und es war ihm völlig egal, ob ganz Mallorca in Schutt und Asche versinken würde. Die Hauptsache für ihn war,
seine Saluki-Dame zu finden.»
So hab ich es noch nie betrachtet.
«Wäre er ein Mensch, würde man wahrscheinlich einen Film über ihn drehen», setzt Bronko nach und nimmt noch ein Schlückchen
Wein.
Ich nicke nachdenklich und wende mich wieder meinem Seeteufel zu, merke aber, dass vorwurfsvolle Blicke auf mir ruhen.
«Was?», frage ich leicht genervt in die Runde.
Schweigen.
Ich seufze, lege das Besteck zur Seite, nehme einen großen Schluck Wein und blicke zu Fred. Im gleichen Moment spitzt der
seine anderthalb Ohren und schaut mich erwartungsvoll an.
«Okay. Du kannst herkommen», sage ich. Fred springt auf, macht einen eleganten Satz und landet direkt vor meinen Füßen,
wo er sich sichtlich zufrieden ausstreckt. Ich tätschle ihm kurz den Kopf.
«Einverstanden?», frage ich in die Runde.
Schamski nickt und hebt sein Glas. «Auf uns. Auf die Zukunft. Und auf deinen Höllenhund.»
Wir prosten und trinken.
Die Zukunft beginnt wenig später mit ernsten Problemen. Zuerst kann ich die Rechnung nicht ganz bezahlen, |229| weil wir zu viel Wein hatten. Der Wirt lässt
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