Da muss man durch
Melissa
mit meinen gesamten Ersparnissen ausgeholfen. Sogar der Porsche ist weg.»
Kommt hier vielleicht mal ein Kellner? Ich brauch einen Schnaps.
«Aber es hat nichts geholfen. Der Verlag ist insolvent, Melissas Firma ebenfalls. Mein ganzes Geld ist futsch. Obendrein
gibt sie mir die Schuld an dem Debakel. Sie glaubt, ich hätte ihr nicht die ganze Wahrheit erzählt.»
Schamski streicht sich über seinen fast kahlen Schädel. |221| Der Kellner rauscht vorbei, ohne meine erhobene Hand zur Kenntnis zu nehmen.
«Vielleicht ist da sogar was dran. Ich wusste nicht, wie schlecht es um den Verlag steht, und dachte, wir hätten mehr Zeit,
um neue Investoren für Melissas Firma zu finden.» Schamski zuckt mit den Schultern.
Der Kellner erbarmt sich endlich. «Bringen Sie mir statt des Kaffees einen Schnaps», sage ich. «Nein, besser ein Glas Rotwein.»
«Bringen Sie gleich eine ganze Flasche», vollendet Schamski.
Der Kellner nickt und huscht davon. Einen Moment schweigen wir.
«Aber das heißt nicht …?», beginne ich und sehe, dass Schamski nickt.
«Doch», sagt er. «Das heißt, Melissa und ich sind getrennt.»
Er zieht eine Zigarette hervor, zündet sie mit jener an, die er gerade raucht, und lehnt sich zurück. «Deshalb bin ich
hier. Ich dachte, du könntest vielleicht Unterstützung im Honiggeschäft brauchen.»
«Das tut mir alles sehr leid», sage ich.
«Mir auch», erwidert Schamski. «Aber es hilft ja nichts. Ich mach jetzt ’ne Pause, tank ein bisschen Sonne, und dann sehen
wir weiter. Vorausgesetzt, ich kann bei dir wohnen. Ich bin völlig abgebrannt.»
«Klar. Kein Problem.»
Der Kellner bringt den Wein.
«Weißt du, wie es Timothy und Iris geht?», frage ich.
Schamski schüttelt den Kopf. «Ich glaube, sie gehen wieder nach London. Timothy hat wohl ein Angebot bekommen oder so. Keine
Ahnung.»
|222| Ich nicke.
«Denkst du immer noch an sie?», fragt Schamski.
Ich wiege den Kopf hin und her und schweige. Wir trinken und hängen unseren Gedanken nach. Dabei lasse ich meinen Blick über
den Markt schweifen und sehe, dass Günther am anderen Ende des Platzes mit einer Kiste Honig durch die Menge balanciert.
Er hat Fred an der Leine. Ich erhebe mich und spähe durch das Marktgewimmel, um beruhigt festzustellen, dass Fred einen
Maulkorb trägt. Dann ist ja gut.
Im nächsten Moment hält mein Hund inne und bewegt witternd den Kopf hin und her, um dann nervös in eine Ecke des Platzes
zu schauen. Ich folge seinem Blick und sehe gerade noch, wie ein anderer Hund in einer Gasse verschwindet. Erschrocken wende
ich den Kopf zu Fred. Der stößt sich nun kraftvoll mit den Hinterbeinen ab und prescht los. Günther hat keine Chance, er
wird von Fred herumgewirbelt, stolpert und fällt zu Boden. Dabei rutscht ihm die Kiste aus den Händen, und die Honiggläser
zerbersten krachend auf dem Asphalt.
Schamski springt nun ebenfalls auf. «Ist das nicht …?»
«Fred!», rufe ich, doch mein Hund hört mich nicht. Er hechtet den Gang entlang und schleppt dabei die Leine hinter sich
her. Deren Schlaufe flattert wild durch die Gegend und verfängt sich nun unglücklicherweise im Rollator jener Frau, die eben
bei mir keinen Honig kaufen wollte. Die Gehhilfe wird ihr von Fred aus den Händen gerissen. Für einen Moment steht sie mit
erstauntem Gesicht da, dann fällt sie wie in Zeitlupe in einen Stand mit mallorquinischem Töpferhandwerk. Der Tisch zerbricht
knirschend in zwei Hälften und katapultiert Becher, Teller und Schüsseln in die Menge. Empörte Rufe, fluchende Händler,
Mütter zerren |223| ihre Kinder aus der Schusslinie. Ein Mann weicht zurück, stolpert dabei in meinen Honigstand und fegt bei seinem Sturz mein
komplettes Sortiment zu Boden.
«Fred!», versuche ich zu meinem Hund durchzudringen, aber der ist in Panik, weil er sich von einem Rollator verfolgt wähnt.
Er hechtet zwischen zwei Ständen hindurch, um das furchterregende Ding, das ihm da auf den Fersen ist, abzuschütteln. Der
Rollator verfängt sich im Klapptisch eines Standes für Haushaltswaren. Töpfe, Pfannen und Besteck gehen scheppernd und klirrend
zu Boden. Für Fred gibt es nun kein Halten mehr.
Während ich mich rasch in Bewegung setze, um irgendwie meinen Hund zu bändigen, schleift Fred in wilder Panik den Rollator
mitsamt daranhängendem Klapptisch durch die Gasse und räumt links und rechts die Stände ab. Tapas fliegen durch die Luft.
Fische schlittern über den Boden.
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