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DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

Titel: DACKELKRIEG - Rouladen und Rap Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ada Blitzkrieg
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    Als der ADHS-Spezialist mich fragt, ob ich mich an ein Spielzeug in meiner Biographie erinnern könne, das ich mutwillig zerstört hätte, muss ich kurz nachdenken, um dann zu erwidern, dass ich mich an kein Spielzeug erinnern könne, das ich nicht absichtlich kaputt gemacht hätte. Ich habe zwischen 1985 und 2012 Fahrräder im zweistelligen Bereich an Mauern zerworfen, Skateboards zertrümmert, Fernseher umgetreten, Wäscheleinen mit der Heckenschere zerschnitten, Teller zerschellen lassen, Gabeln in den Kopf meines Bruders gesteckt, Hosen zerschnitten, Blumen zertreten, Shirts zerrissen, Tauben bespuckt und im Hallenbad schwächere Kinder getunkt. Ich habe versucht, andere Kinder vor den Schulbus zu schubsen, Eier absichtlich fallen gelassen, die Pilze aus der Pizzaschnecke vom Schulkiosk täglich in unser Klassenbuch eingeklappt, Vaters Gemälde von den Wänden geschlagen und Zeugnisse von Mitschülern zerrissen. Ich habe versucht meine Mutter die Kellertreppe herunter zu treten. Aus Reflex. Und habe heute trotzdem Abitur, das ich bestimmt ebenfalls meinen guten Reflexen und ADHS zu verdanken haben.
    Mein Karma dürfte wohl so alles in allem ziemlich mies sein und daher stehe ich nach der Ansage des Moderators „Letzte Chance vorbei. Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr wenn das Licht angeht!“ irgendwo zwischen den Feldern 1 und 2 und gewinne keine Bälle, die ich nachher im Geschenkebasar gegen ein geiles Elektrogerät eintauschen könnte. Ich gehe immer leer aus.
    Mein Wahnsinn kam gut getarnt als Kreativität daher und die Zigarettenbrandwunden auf meinem Arm waren stets ansehnlicher "Körperschmuck" und ein "aufregendes Projekt". Ich habe heute oft Probleme in einem Alltag, den ich eigentlich nicht besitze: Impulskontrolle. Unruhe. Ständig brodelt es in mir. Ich finde emotional niemals Rast. Das Unsmartphone kommt mir dann genau richtig. Irgendjemand schreibt immer etwas ins Netz, an dem ich mich aufreiben oder aufgeilen kann. Weinen oder lachen. Hauptsache es passiert etwas! Ich fürchte nichts mehr, als die Leere. Das Internet scheint mich immer füllen zu können. Mit verfügbarem Sex, platten Witzen und inspirierenden Kochrezepten. Ich drücke und quetsche also ständig auf dem Handy herum, weil ich es nicht aushalte, ruhig zu sitzen und einfach nur Fernsehen zu gucken und die Fresse zu halten.
    Da mir niemals eine Streitkultur oder Techniken der Problembewältigung näher gebracht worden sind, und sich das autodidaktische Lernen mittels
RTL
-Konsum eher kontraproduktiv auswirkte, bin ich schlichtweg mit allem überfordert, was mich fordert. Und das ist nahezu alles: Postboten. Supermarkt. Rechnungen schreiben. Wütend sein. Angst haben. Einen Roman schreiben. Alleine sein. In Gesellschaft sein. Single sein. Eine Beziehung führen. Telefonieren. Telefonieren. Und Telefonieren. Ich benötige eine Art Transformator, der meine Gedanken und Emotionen in stimmige Worte umwandelt, in Beschreibungen und visuell dargestellte Gefühle, damit ich sie selbst verstehen kann und sie einen Mehrwert für mich und die Menschen erhalten, die so ein Scheiß auch noch interessiert. Kranke Schweine!
    Wenn jemand bei
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ein übermäßig dickes Pferd streichelt, dann bewegt mich das tief im Inneren auf eine hässliche oder eben schöne Art und Weise und ich muss es erst verarbeiten damit ich es mit Adjektiven beschmücken kann. Irgendwas in mir ruckelt und brummt und meine Welt gerät in Schiefstand. Mein Weg ist digital. Hundertvierzig Zeichen. Ich bin ein visueller Mensch. Ich muss Gefühle erst sehen, bevor ich sie spüren kann. Erst wenn der
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abgesendet ist, weiß ich ob ich das adipöse Reittier gut oder böse finden soll, ob es sich schön oder falsch anfühlt. Das Ruckeln stoppt dann. Nun stehe ich zwar wieder schief, aber meine Welt steht wieder gerade. Das mit dem Pferd finde ich natürlich scheiße. Wer nicht?
    Wenn ich "Du" sage, meine ich meistens meinen Freund, weil ich das Haus wenig verlasse und neunzig Prozent meiner Du-Kommunikation schriftlich abläuft. Die verbliebenen zehn Prozent teilen sich zu neun Prozent auf meinen Freund und zu 0,5 Prozent auf meine Mutter auf, mit der ich alle paar Tage telefoniere, um zu erfahren, dass der Hund nicht artig war, viel bellt und sich in Fuchskot gewälzt hat, und dass Vater endlich neuen Speis angemischt hat. Ja, ehrlich? Um die losen Steinplatten auf der Terrasse wieder festzukleben, die das unaufhörlich wachsende Unkraut mit seiner

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