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DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

Titel: DACKELKRIEG - Rouladen und Rap Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ada Blitzkrieg
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Brunnen auf den noch älteren Marktplatz und fühlte sich wie die Gangster aus
Großstadtrevier
in der
ARD
.
    Am besten eigneten sich Saure Schnüre zum Komprimieren. Saure Schnüre sind "der Lange" des
Diebstahltetris
und ich habe bestimmt im Laufe meiner Verbrecherkarriere Saure Schnüre im Wert von mehreren Millionen Mark geklaut. Nehmen wir an, dass ich bei jedem
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Besuch zehn Saure Schnüre zwischen meine Süßigkeiten gesteckt hätte und circa hundertzwanzig Mal im Jahr den besagten
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über einen Gesamtzeitraum von circa vier Jahren aufgesucht habe, ergibt sich schnell die erschreckende Gesamtsumme von viertausendachthundert gestohlenen Sauren Schnüren, die einem Warenwert von zweihundertvierzig Mark entsprechen dürften, wenn wir von einem Einzelpreis von fünf Pfennigen pro Saurer Schnur ausgehen. Meine Kriminalität hatte nun ein Gesicht. Die Gesamtmasse der geklauten Zuckerleckereien muss um die achtundvierzigtausend Gramm, also achtundvierzig Kilogramm betragen habe. Und so jemand wie ich hatte wirklich wegen Akneproblemen rumgeflennt und fand diese Tatsache auch noch unfair? Ich war nicht nur kriminell, ich war auch eine Gefahr für mein Hautbild.
    Im
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kauften wir auch gerne Zigaretten. Angeblich für unsere Eltern, denn in den frühen 90er Jahren kontrollierte das noch niemand so genau und wer hätte schon von zwei neunjährigen Mädchen angenommen, dass sie nicht nur kriminell waren, nämlich Diebe, sondern auch noch starke Raucher. Kriminelle Raucher, die ihre
ERNTE23
heimlich im Burggarten wegzogen, einem mittelhübschen Stadtpark ohne auffällige Charakteristika. Außer zig Kriegsdenkmäler und einem Schotterplatz mit unzähligen Scherben, auf dem sich die betrunkenen Schausteller zur Kirmeszeit mit ihren PS-starken Wohnhäusern ansiedelten, gab es hier nichts. Nach einer halben Packung Zigaretten ging es uns dann meistens nicht mehr so toll und wir waren recht müde und jedes Mal aufs Neue sehr erleichtert, wenn wir wieder in unseren kleinen Kinderzimmern lagen und uns, zugedröhnt mit Nikotin, dem Zuckerschub der Sauren Schnüre voll hingeben konnte, während der Kassettenrekorder die
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Folge spielte, in der es um Rauschgift ging.
    Ganz Mutige trauten sich direkt am Brunnen, mitten auf dem Marktplatz zu rauchen. Natürlich trotzdem heimlich, aber immerhin am helllichten Tag in der Fußgängerzone. Im Jackenärmel paffend oder hinter den Brunnen mit dem goldenen Löwen gekauert und schnell einatmend, saßen wir in der Russenhocke und zogen den Rauch in unsere Kinderkörper. Einer stand immer Schmiere und schaute, dass nicht zufällig eine der Mütter gerade in der Metzgerei
Hammer
aufschlug, um Fleischwurstkringel oder glänzenden Bauchspeck für das nächste Mittagessen zu besorgen, der andere ruinierte währenddessen seine noch junge Gesundheit.
    Manchmal setzte sich ein merkwürdiger älterer Herr neben uns auf eine Bank, der sich im Schwimmbad auch ganz gerne in unserer Nähe aufhielt und beobachtete unsere Selbstzerstörung. Ein unauffälliger Typ im beigen Trenchcoat, mit selbsttönender Brille, Oberlippenbart und grauen zauseligen Haare, die er mit der Kraft seines übermäßigen Kopftalges knüppelhart über den mittig kahlen Schädel nach hinten gekämmt hatte. Er konnte uns stundenlang wortlos anstarren. Ob wir Ballett machen würden, fragte er eines Tages unvermittelt. Manche von uns taten das und manche von uns taten das nicht. Was sollten wir ihm schon groß erzählen? Aber er wollte alles sehr genau wissen. Ich erzählte ihm also im Nikotinrausch meine Geschichte.
    Ich wollte sehr gerne meinen jungen Body von dieser Frau Dingsbums in Form knüppeln lassen. Frau Dingsbums war eine strengen Tanzlehrerin, die ihren Dutt so fest knotete, dass ich mich immer ängstigte, ihr Gesicht könnte eines Tages einfach unten abreißen, und sie würde trotzdem vollkommen gleichgültig mit ihrem französischen oder russischen Akzent „Tänzerinnen kennen kein Schmerz!“ sagen und dann immer weiter tanzen, wie eine seelenlose Aufziehpuppe, bis ihr Körper vollkommen ausgeblutet wäre und sie wie eine tote Knochenhülle krachend auf den gewichsten Boden des Spiegelsaals fiele.
    Ich wurde nach dem Probetanzen leider nicht zu den Ballettstunden zugelassen, um weiterhin die Strenge ihres Dutts genauer unter die Lupe nehmen zu können. Nicht etwa, weil ich nicht einen für mein Alter exzellenten und athletisch ansprechenden Körperbau gehabt hätte. Nein, ich wäre zwar gut

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