Daddy Uncool
Türklingel läutete. Ich öffnete die Tür und fand einen jungen Kerl auf der Eingangstreppe.
Alarmglocken fingen an zu läuten: Unter der dicken Gelschicht in seinen Haaren und trotz der altersbedingten Hautprobleme war er ein ansehnlicher Teufel. Ich fragte mich, ob er von einem Sportartikelhersteller gesponsert wurde oder gerade vom Training kam: Kein einziges seiner Kleidungsstücke war frei von Logos.
Er sagte nicht Guten Tag.
»Ist Caitlin zu Hause?«, fragte er sofort, nachdem ich die Tür geöffnet hatte.
»Ja, ist sie«, sagte ich.
Er nickte.
»Und du bist?«, fragte ich.
»Ollie«, sagte er. Er hob seine rechte Hand und wischte sich mit der Handkante die Nase.
»Ollie«, wiederholte ich. Ich stellte mir vor, dass es das war, was die Väter weiblicher Teenager machten: Sie informierten alle Verehrer, dass ihr Bestreben bei einem väterlichen Türwächter begann, der sie von diesem Moment an unter ständiger, nichts verzeihender, wenn nicht sogar bedrohlicher Beobachtung halten würde.
»Sie hat nicht erwähnt, dass du kommen würdest.«
»Wirklich?« Er schien leicht gekränkt. Er dachte einen Augenblick lang nach, bevor er sein Handy hervorholte.
»Sehen Sie«, sagte er und hielt sein Handy so, dass ich das Display sehen konnte. Ich starrte darauf und konnte die Bedeutung dessen, was ich sah, nicht entschlüsseln. Wörter waren durch einzelne Buchstaben oder Abkürzungen ersetzt worden und ergaben eine Sprache, die mir vollkommen neu und unbekannt war.
»Sehen Sie«, sagte Ollie. »CYT.«
»Was soll das bedeuten?«, fragte ich.
Ollie hielt kurz inne, als überlegte er, ob ich ihn auf den Arm nehmen wollte. Schließlich dämmerte ihm, dass meine Frage ernst gemeint war.
»See you tomorrow«, erklärte er.
»Oh«, sagte ich. »Dann solltest du besser hereinkommen.«
»Danke, Mr. Taylor«, sagte er fröhlich.
Ich beobachtete ihn, als er in den Flur kam und seine Turnschuhe auf der Fußmatte abtrat. Offensichtlich war er nicht so verwildert, wie er wirkte. Er folgte mir in die Küche.
»Möchtest du etwas trinken?«, fragte ich.
»Ich würde sehr gerne eine Tasse Tee trinken«, sagte er. Das war das zweite Mal innerhalb einer Minute, dass er mich verblüffte. Die Füße abtreten? Nach Tee verlangen? Es war, als hätte ich Besuch von einem Frauenverein. Ich hätte den Früchtekuchen angeschnitten, wenn ich welchen gehabt hätte. Ich setzte den Wasserkessel auf und holte Becher aus dem Schrank. Währenddessen fühlte Ollie sich schon wie zu Hause und setzte sich auf einen der hohen Stühle am Frühstückstresen. Er sah sich erwartungsvoll in der Küche um.
»Haben Sie gestern Fußball gesehen?«, fragte er.
»Nicht wirklich«, sagte ich. Das war eine Lüge. Ich hatte mir ein paar Spiele angesehen, wollte aber weiter den weltentrückten Vater spielen.
»Da haben Sie auch nicht viel verpasst«, sagte er. »Das Spiel heute, United gegen Liverpool, könnte allerdings gut werden.«
Während ich die Milch aus dem Kühlschrank nahm und die Geschirrspülmaschine einräumte, plauderte Ollie weiter über Fußball. Er hatte offensichtlich vergessen, dass er eigentlich gekommen war, um Caitlin zu sehen. Ich bekam allmählich den Eindruck, dass er einfach nur abhängen wollte.
»Haben Sie ein Papiertaschentuch für mich?«, fragte er mich mitten in seinem Bericht über eine Dokumentation über Berggorillas, die er gesehen hatte. »Ich glaube, ich bekomme eine Erkältung.«
Ich gab ihm ein paar Kleenex-Tücher. Als er nach der Packung griff, fragte ich mich plötzlich, ob dies der Bursche war, der die Hand auf Caitlins Hintern und seine Zunge in ihrem Mund gehabt hatte. Ich starrte auf seine Hand, konnte jedoch den grünen Ring nicht entdecken, den ich gesehen hatte, als ich das Paar beobachtete.
Ich war erleichtert. Mein erster Eindruck von diesem Jungen war falsch gewesen: Er war ein netter Kerl. Meine strenge Auslegung der Vaterrolle weichte etwas auf, als er seinen Tee schlürfte und dabei über Gott und die Welt schwatzte. Wir diskutierten die Rotationspolitik von Rafa Benitez. Ollie war gerade zu dem Thema gewechselt, wer der ultimativ beste Kämpfer der Welt sei, als Caitlin ins Zimmer kam.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie, an ihn gewandt. Sie lehnte sich gegen den Küchentresen, streckte ihre Hüfte in seine Richtung und spielte mit ihren Haarspitzen. Sie hatte sich viel Mühe mit ihrem Aussehen gegeben: Sie trug einen sehr kurzen Rock, hatte aber - glücklicherweise - Leggins darunter.
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