Dämenkind 2 - Kind der Götter
bald.
»Was du dir vorgenommen hast, ist von Grund auf falsch, darüber hast du doch volle Klarheit, oder nicht?«
»Dennoch ist es unvermeidlich.«
»Hast du dich auch auf die Folgen eingestellt?«
»Welche Folgen?« Zum ersten Mal klang ihre Stimme nicht mehr vollkommen sicher.
»Menschen zu etwas zu zwingen ist eigentlich eine Kleinigkeit, R'shiel«, erläuterte er. »Es geschieht ständig auch unter Menschen. Sie benutzen nicht die gleichen Kräfte wie wir, jedoch kennen sie andere Mittel, die sich ebenso gut bewähren.«
»Ich verstehe nicht, worauf du denn wohl hinauswillst.«
»Erinnerst du dich noch, dass du gemeinsam mit den Rebellen im Aufstand gekämpft hast? Gar oft habe ich erlebt, wie du jugendliche Hitzköpfe zu diesen und jenen Taten überreden konntest, ohne dass du, anders als heute, Zugriff auf die Harshini-Magie hattest. Mit nichts als schönen Worten hat Tarjanian Tenragan dreihundert Rebellen dazu bewogen, in Testra eine vollzählige Kompanie Hüter anzugreifen. Ebenso übt jede Mutter, die ihr Kind dahin bringt, gekochte Rüben zu essen, unzweifelhaft Zwang aus.«
»Was ist der Sinn deines Geredes, Brakandaran?«
»Folgendes will ich dir verdeutlichen: Es konnte dir gelingen, die Heiden zum Kämpfen anzustacheln, weil sie im Innersten ihres Herzens den Kampf wünschen. Jeder Rebell, der auf Tarjanians Anstiftung am Angriff in Testra teilgenommen hat, träumte bei sich vom Sieg. Selbst das Kind, wenn es zuletzt doch die gekochte Rübe verzehrt, tut es dann aus Hunger. Dagegen ist es eine gänzlich andersartige Sache, Menschen gegen ihren Willen zu etwas zu nötigen. Du musst ihre natürlichen Neigungen überwinden und sie in eine völlig neue Richtung lenken. Dafür muss ihnen vollständig der freie Wille genommen werden, doch wurzelt der freie Wille so tief in der Menschenseele, dass eine solche Handlung
dem Versuch gleicht, den Gläsernen Fluss zum Rückwärtsfließen zu bringen.«
»Du glaubst, dafür sind meine Kräfte zu gering?«, fragte R'shiel mit hörbarer Beunruhigung. »Aber die karischen Geistlichen sind es zu leisten imstande.«
»R'shiel, du könntest, befiele dich dazu die Lust, sogar einen Berg versetzen. Es ist beileibe keine Frage der Magie-Kräfte. Was die karischen Pfaffen anbelangt, so beruht ihre Fähigkeit auf einem Gräuel. Vergiss nicht: Xaphista zählte einst zu den Dämonen. Bei der Priesterweihe trinken sie von seinem Blut. Und nicht etwa bloß das Blut eines Opfertiers, sondern wirklich und wahrhaftig sein Blut. Dadurch entsteht zwischen ihm und ihnen ein Band, das dem Connex zwischen uns und den Dämonen ähnelt. Mittels dieser Verbindung benutzen sie seine Macht, um den Willen anderer Menschen zu brechen.«
»Dieses Band muss aber recht dürftig sein«, sagte R'shiel. »Wie beherrschen sie die Kräfte, die es braucht, um gar ein ganzes Heer willenlos zu machen?«
»Der Einzelne bleibt freilich schwach, als Zusammenrottung jedoch können sie einen überaus starken Einfluss ausüben.«
»Du sorgst dich doch nicht, ich könnte mich zur Anbeterin des ›Allerhöchsten‹ bekehren, oder?« fragte R'shiel, indem sie ihn dreist angrinste.
Am liebsten hätte Brakandaran ihr den Vorwitz mit einer Maulschelle gelohnt. Sie schenkte seinen Ausführungen keinerlei ernstliches Gehör. »Was mir Sorge bereitet, ist die Nach-Wirkung, die sich nach der Einflussnahme bei den Betroffenen vollzieht. Wenn du sie zu dem Glauben zwingst, Frohinia wünschte zu Guns
ten Mahinas aus dem Amt zu scheiden, so werden sie es glauben. Doch am nächsten Tag, oder eine Woche später – oder erst nach einem Jahr –, wenn du nicht zugegen bist, um ihre tatsächlichen Überzeugungen niederzuhalten, werden sie sich fragen: Wieso eigentlich? Ihnen wird bewusst, dass jemand sie überlistet hat. So kann es kommen, dass Mahinas zweite Amtszeit noch kürzer wird, als sie es das erste Mal blieb. Zu einer Stimme der Auflehnung gesellt sich eine zweite, bald sind es zehn, und daraus wird eine Lawine.«
»Du kennst meine Überlegungen. Wir schicken die Schwestern fort, deren Aufsässigkeit am wahrscheinlichsten zu befürchten steht.«
Gereizt schüttelte Brakandaran den Kopf. »Diese Vorkehrung wird sich nicht als Abhilfe bewähren. Du kannst unmöglich ganz zuverlässig wissen, wer verdächtig und wer über jeden Verdacht erhaben ist. Eben jene, von denen du dir einbildest, sie empörten sich als Erste, können die Einflüsterung aufsaugen, als wäre sie Muttermilch. Andere hingegen, bei
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