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Dämenkind 2 - Kind der Götter

Dämenkind 2 - Kind der Götter

Titel: Dämenkind 2 - Kind der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Fallon
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Stürme für den Tag unseres Eintreffens in der Zitadelle um Regen zu ersuchen.«
    Etliche Herzschläge lang hatte Warner sie nur angestarrt; dann endlich den Kopf geschüttelt. »An solchem Humbug mag ich keinen Anteil haben.« Damit war er vom Tisch des Gasthofs Zum Storchen aufgestanden und, jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe zu seiner Kammer hinaufgestiegen.
    Meister Draco hatte ihm nachgeblickt und sich anschließend an Brakandaran und R'shiel gewandt. »Eure Götter behagen ihm nicht.«
    »Behagen sie denn etwa Euch?«, hatte R'shiel unwirsch gefragt. Sie mochte Meister Draco nicht leiden. Dreißig Jahre hindurch war Tarjanians Vater Frohinias höriger Handlanger gewesen. Auf seinen Befehl hatte man R'shiels Familie ermordet und ihr Geburtsdorf vom Erdboden getilgt, und er hatte alle Bereitschaft an den Tag gelegt, auf Frohinias Geheiß den eigenen Sohn, R'shiel sowie dreihundert Rebellen über die Klinge springen zu lassen.
    Mittlerweile jedoch verkörperte Draco nur mehr den Inbegriff der Reuigkeit. In vielerlei Beziehung hatte er Ähnlichkeit mit Hochmeister Jenga, denn er war ehrerbietig bis an die Grenze der Narretei. Ein einziger Fehltritt hatte ihn so weit von der ursprünglichen Bestimmung abirren lassen, dass er sie zuletzt gänzlich aus den Augen verloren hatte. Nun versuchte der Mann in seinem Dasein eine Wende zu vollziehen, irgendwie Wiedergutmachung zu leisten, doch hegten weder Tarjanian die Neigung, ihm zu verzeihen, noch R'shiel. Dagegen brachte Brakandaran ihm mehr Vertrauen entgegen, als er für Garet Warner erübrigte. Draco trachtete nach nichts anderem als Versöhnung.
    »Ich habe genug erlebt, um zu erkennen, dass es Götter gibt, R'shiel, aber ich bete sie nicht an.«
    »Das soll wohl heißen, Eure Befähigung richtet sich eher dahin, Euch an Euresgleichen zu vergehen«, schnaubte R'shiel.
    Um sie zu begütigen, legte Brakandaran eine Hand auf ihren Arm. »Zettele keinen überflüssigen Streit an, R'shiel.«
    Zu seiner Überraschung befolgte sie seinen Rat. »Wie kann ich zu Bhren sprechen?«, fragte sie, indem sie so tat, als wäre Meister Draco gar nicht zugegen.
    »Mit äußerster Vorsicht«, antwortete Brakandaran, allerdings nur halb im Scherz.
    »Da sieh, ich hab's ja gesagt, der Regen lässt nach.«
    Brakandaran richtete seine Aufmerksamkeit wieder in die Gegenwart und sah, dass sich der Wolkenbruch zu einem leichten Nieseln vermindert hatte. »Hab Dank, Göttlicher«, meinte er halblaut, obschon die Wahrscheinlichkeit gering war, dass Bhren zuhörte.
    »Wir sollten uns auf den Weg machen«, drängte R'shiel und behielt die Torwachen argwöhnisch im Blick. Brakandaran nickte und schloss sich an, als sie ihr Pferd auf die Straße lenkte. Währenddessen achtete er sorgsam darauf, dass die Sichtschutz-Magie sie fortgesetzt vor jeglichem Blick verbarg.
    Nahezu zweihundert Jahre war es her, dass Brakandaran sich das letzte Mal in der Zitadelle aufgehalten hatte, und die im Laufe dieser Zeitspanne stattgefundenen Veränderungen bedrückten sein Gemüt. Hier war seine Heimat gewesen, bevor die Schwesternschaft den
    Harshini die Zitadelle entrissen hatte. Als Kind hatte er mit Dämonen in weitläufigen Gärten gespielt und getollt, an deren Stelle heute verschachtelte Wohnbauten aufragten. Rings um die Feste hatte er alte Urwälder erforscht, die inzwischen seit langem gerodet waren, um den in Wahrheit unendlichen Bedarf der Menschen an Brenn- und Bauholz zu decken. Alle einstige Schönheit war durch die Menschen ausgelöscht worden, und sämtliche vornehm gestalteten Merkmale der harshinischen Baumeisterkunst waren nicht mehr zu sehen.
    Von den ursprünglichen Anlagen standen nur noch die Tempel sowie die Hallen der Residenz, doch auch sie hatten Beeinträchtigungen erlitten; die beschwingten Umrisse der Gebäude waren durch spätere Anbauten verschandelt und die Wandmalereien überpinselt worden. Brakandaran war heilfroh, weil die Harshini diese Zustände nicht zu sehen bekamen. Was man an ihrer Heimat verbrochen hatte, wäre für ihre Seelen eine tiefe Kränkung gewesen.
    »Ich fühle sie«, sagte R'shiel plötzlich mit merklichem Staunen. »Ich kann die Zitadelle fühlen.«
    »Sie spricht auf deine Gegenwart an.«
    R'shiel verzog die Miene; sie tastete mit Sinnen umher, die vorerst zu unreif blieben, um ihr begreiflich zu machen, was sie da fühlte. Die Zitadelle hieß sie daheim willkommen, nachdem sie während eines Großteils ihres Lebens über sie gewacht hatte.

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