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Dämenkind 2 - Kind der Götter

Dämenkind 2 - Kind der Götter

Titel: Dämenkind 2 - Kind der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Fallon
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Bisher war R'shiel sich der Gaben nicht bewusst gewesen, die es ihr ermöglichten, den Geist der Zitadelle wahrzunehmen. »Ich dachte, allein Götter könnten erkennen, was ich bin?«
    »Die Zitadelle ist gleichsam eine Gottheit«, erklärte Brakandaran. »Ein Nebengott, keine Hauptgottheit, aber ein Gott.«
    »Du meinst, ähnlich wie Xaphista? Ein Dämon, der genügend Macht gewonnen hat, um sich Gott nennen zu dürfen?«
    »Nein, die Zitadelle ist einzigartiger Natur. Ihr Geist entstand im Laufe ihrer Erbauung. Er ist das innere Wesen dieser Stätte. Ihre Seele, wenn man es so sehen will.«
    Schweigsam fügte R'shiel die erhaltenen Kenntnisse ihrem wachsenden neuen Wissen hinzu, während sie sich dem Tempel der Götter näherten. Wie heute die Menschen das Bauwerk bezeichneten, wusste Brakandaran nicht, aber vor langem war es der Mittelpunkt des harshinischen Lebens gewesen, der Ort, an dem jeder Gott, gleich wie mächtig oder unbedeutend er sein mochte, ins Erscheinen gerufen werden konnte. Dort hatte er damals, als das Dasein noch voller rosiger Verheißungen gewesen war, mit Göttern und Dämonen Kurzweil getrieben … in den Zeiten, bevor ihm klar geworden war, was es bedeutete, ein Halbblut zu sein. In der Zeit, bevor er Lorandranek getötet hatte.
    »Was hat Dranymir mit der Äußerung gemeint, die Harshini benötigten Zugang zur Zitadelle, um sich schützen zu können?«
    »Hier ist es unmöglich, einen Harshini umzubringen, R'shiel. Die Zitadelle gestattet es nicht.«
    Aus geweiteten veilchenblauen Augen blickte sie ihn verblüfft an. »Soll das ein Scherz sein?«
    »Nicht doch. Aber versprich dir davon nichts. Der Schutz erstreckt sich nicht auf Halbblütige. Du und ich sind hier so sterblich wie jedermann.«
    »Würden also die Harshini wieder die Zitadelle bewohnen, wären sie sicher vor den Kariern? Selbst wenn sie die Grenze überqueren?«
    »Abgesehen davon, dass sie im Verborgenen bleiben könnten, ist die Zitadelle der einzige wirksame Schutz, der sich den Harshini bietet. Ihr Unvermögen zu töten ist eine oftmals höchst nachteilige Tugend, R'shiel. Es gibt da eine Geschichte aus der Ersten Säuberung … Eine Horde Menschen überfiel eine Harshini-Familie, die dem Gemetzel zu entrinnen versuchte. Sie schändeten die Frau, schlachteten die Kinder ab und reichten anschließend dem Mann ein Schwert, ja sie knieten sogar vor ihm hin und verhöhnten ihn mit der Aufforderung, sie zu erschlagen. Er warf das Schwert auf die Erde und – in der Hoffnung, gleichfalls von ihnen getötet zu werden – auch sich selbst. Darum bitten konnte er sie nicht, das Tötungsverbot gilt auch für den Freitod.« Er merkte nicht, wie kalt und hart sein Tonfall geworden war, bis R'shiel ihn mit ehrlicher Besorgnis musterte.
    »Du erzählst nicht bloß vom Hörensagen, stimmt's, Brakandaran?«, fragte sie leise.
    »Ja.«
    »Was ist dann geschehen?«
    »Um ihn zu retten, kamen wir zu spät. Aber die Menschen, die diese Familie überfallen hatten, blieben nicht lange genug am Leben, um mit ihrer Tat prahlen zu können.«
    »Ihr habt sie getötet? Wie denn, wenn den Harshini das Töten versagt ist?«
    »Damals gab es noch erheblich mehr Halbblütige. Bevor in Medalon die Schwesternschaft die Oberhand errang, waren Mischehen keineswegs unüblich. Jung und ungestüm waren wir, daher haben wir die Säuberung keineswegs widerstandslos über uns ergehen lassen.«
    R'shiel überlegte einige Augenblicke lang. »Was ist aus den anderen Halbblütigen geworden?«
    »Die Schwesternschaft erachtete ein Halbblut als gefährlicher als ein Dutzend reinblütiger Harshini. Deshalb wurden, um uns auszutilgen, ganz besondere Anstrengungen unternommen.« Inzwischen waren sie, ohne Halt zu machen, am Tempel der Götter vorübergeritten. Brakandaran bereute es, die Erste Säuberung erwähnt zu haben. Obschon seither Jahrhunderte verstrichen waren, fraßen die Erinnerungen noch immer wie Säure an seinem Gemüt.
    »Du bist der einzige Überlebende …«
    »Ich war es bis zu deiner Geburt.«
    R'shiel stellte in diesem Zusammenhang keine weiteren Fragen, eine Zurückhaltung, die bei Brakandaran Erleichterung auslöste. Er hob den Blick zum grauen, bewölkten Himmel und erkannte, dass R'shiel mit der Einschätzung, der Regen werde die Bewohner der Festungsstadt in die Häuser sowie das Quorum in die Halle scheuchen, Recht behielt.
    Nach wie vor beharrte sie auf ihrer Absicht, das Konzil durch Zwang-Magie zum Auswechseln der Ersten Schwester zu

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