Dämenkind 2 - Kind der Götter
Unverschämtheit stellt meinen Langmut auf die Probe, Brakandaran.«
»Nicht halb so arg wie deine beispiellos klugen Pläne mich befremden, Zegarnald.«
»Ich war damit einverstanden, dir entgegenzukommen, Brakandaran, und dich davon überzeugen zu lassen, dass das Dämonenkind noch unter den Lebenden weilt. Ich habe nicht darin eingewilligt, mir dein Gequengel anzuhören.«
Hilflos schaute Brakandaran den Ereignissen zu. Der karische Herzog verließ die Schlafkammer, in die man R'shiel eingesperrt hatte. Kaum war sie allein, warf sich R'shiel aufs Bett, starrte empor zur Zimmerdecke und knirschte gedämpfte Flüche. Nach einer Weile beendete sie diesen sinnlosen Zeitvertreib, erhob sich und schritt stattdessen auf und ab. Sie rüttelte an der Tür, die aber fest verschlossen war; danach trat sie ans Fenster, stieß es auf und blickte verzweifelt dreizehn Geschosse tief hinab in den Innenhof. Da dieser Abgrund als Fluchtweg schwerlich infrage kam, hockte sie sich auf die
Bettkante und tastete behutsam nach ihren MagieKräften, sah jedoch sogleich wieder davon ab, sobald die ihr umgelegte Silberkette ein schmerzhaftes Brennen verursachte.
»Lass mich hier hinaus, Zegarnald! Ich muss ihr zu Hilfe eilen.«
Hier war ein kaum beschreibbarer Ort. Der Kriegsgott hatte Brakandaran in einer Sphäre festgesetzt, die zwischen der Welt lag, in der R'shiel sich aufhielt, und den Gefilden, die die Götter ihre Heimat nannten. Er hatte hier keinerlei Macht und war gänzlich auf Zegarnalds Wohlwollen angewiesen. Zwar konnte er frei umherlaufen, aber kein Mensch sah ihn, und es blieb ihm verwehrt, auf irgendetwas einzuwirken, das sich in der gemeinen Menschenwelt zutrug.
Brakandaran hätte sich, weil er so blindlings in Zegarnalds Falle getappt war, die Haare raufen können. Als der Kriegsgott urplötzlich in der Gasse neben dem Tempel der Götter erschienen war, hätte er ahnen müssen, dass Scherereien bevorstanden. Wahrscheinlich zwei Jahrhunderte lang hatte sich Zegarnald nicht in der Zitadelle blicken lassen. Brakandaran kannte die Götter gründlich genug: Ihm hätte klar sein sollen, dass es Anlass zum Argwohn gab. Und niemals hätte er, weil der Kriegsgott zu dergleichen ganz und gar nicht neigte, Zegarnalds Händedruck annehmen dürfen. Doch sobald Zegarnald ihn im Griff gehabt hatte, war es ihm unmöglich gewesen, sich der Entführung in diese graue Zwischenwelt zu widersetzen.
»Sie muss sich selbst helfen.«
»Wie denn? Sie kann ihre Magie-Kräfte nicht anzap
fen. Diese Halskette ist genauso schlimm wie die fluchwürdigen Stäbe, die Xaphistas Priester bei sich tragen.«
»Sie kann sich der Magie bedienen. Nur wird der Schmerz grauenvoll sein. Wenn ihr Wunsch zu fliehen stark genug ist, findet sie hinlängliche Kraft, um die Pein zu erdulden.«
»Und das ist wieder eines deiner Verfahren, um sie einer Prüfung zu unterziehen, ja? Ein erneutes ›Stählen‹, wie du es so gern vornimmst? Aber was soll werden, wenn sie dein Spiel nicht mitmacht, Zegarnald? Wenn sie zu Xaphista überläuft?«
»Dann lasse ich dir freie Hand, und du vernichtest sie.«
Misstrauisch musterte Brakandaran den Gott. »Du baust darauf, dass ich das tun könnte?«
»Wenn das Dämonenkind auf Xaphistas Seite übergeht, droht auch den überlebenden Harshini das Ende. Es erübrigt sich, auf dich zu bauen. Ich kann getrost auf deine Entschlossenheit vertrauen, eine solche Gefahr von deinem Volk abzuwenden.«
Das Übelste war: Der Kriegsgott hatte Recht. Falls R'shiel sich mit Xaphista verbündete, würde Brakandaran nicht zögern, sie zu töten.
Obwohl ihm zumute war wie einem schäbigen heimlichen Lauscher, widmete er ihr von neuem seine Aufmerksamkeit.
»Es bedeutete ein gewaltiges Wagnis, Zegarnald.«
»Mag sein. Doch wenn das Dämonenkind zu schwach ist, um sich gegen Xaphistas Willen zu behaupten, und sich dazu verleiten lässt, seine Jüngerin zu werden, dann will ich jetzt darüber Klarheit haben, anstatt zu warten, bis sie vollends unbezwingbar geworden ist.«
»Diese Probe könnte sie das Leben kosten.«
»Xaphista wird versuchen, sie durch Überredung und Verlockung für sich zu gewinnen. Gewalt dürfte er erst anwenden, wenn er es nicht mehr vermeiden kann. Er will erreichen, dass das Dämonenkind ihn verehrt, Brakandaran. Verabscheut sie ihn weiterhin, so ist sie von keinem Nutzen für ihn.«
»Ich kann mir kaum denken, dass deine Machenschaften dazu angetan sind, dass sie dich verehrt«, meinte Brakandaran. »Du
Weitere Kostenlose Bücher