Dämenkind 2 - Kind der Götter
Gedanken waren indessen kaum geeignet, um seiner gegenwärtigen Lage abzuhelfen. Doch wo die Vernunft versagte, kam möglicherweise göttliche Eifersucht zum Zuge.
Brakandaran wusste nicht, ob Kalianah dem jetzigen Krieg überhaupt Beachtung schenkte. Geradeso gut könnte sie sich zurzeit damit befassen, einen Bienenschwarm glücklich zu machen. Dennoch war er der festen Überzeugung, dass sie Zegarnalds Absicht, die Zähigkeit des Dämonenkinds zu prüfen, indem er sie der Grausamkeit der xaphistischen Pfaffen überließ, auf keinen Fall billigte. Konnte er Zegarnald dazu verleiten, Kalianah aufzusuchen, bestand eine gewisse Aussicht, dass die Liebesgöttin sich für R'shiels Freilassung einsetzte. Gemäß ihrer Natur strebte Kalianah stets nach einem guten Ende. Sie mochte es nicht, wenn irgendwer ihre Pläne durchkreuzte, und schließlich hatte sie sich redlich darum bemüht, Tarjanian Tenragan und R'shiel zum Paar zu machen. Vielleicht klammerte er sich, sah Brakandaran ein, an einen Strohhalm, aber unter den
gegebenen Umständen lohnte sich buchstäblich jeder Versuch.
»Sollte nun Kalianah in der Tat irgendwelche Anliegen verfolgen, während es dir gefällt, dich hier in der Zitadelle von der kämpferischen Härte des Dämonenkinds zu überzeugen, wirst du davon gewiss nichts merken, bis sie auf dich herabblickt, dir ihr allzu reizendes Lächeln schenkt und dich fragt, ob du sie liebst.«
»Kalianah wird sich nicht trauen, sich einzumischen. Sie weiß, was auf dem Spiel steht.«
»Sie hat Tarjanian Tenragan und R'shiel durch Liebe vereint. Für meine Begriffe war das eine Einmischung. Wenn Kalianah dir über den Kopf wächst, wird R'shiel beileibe nicht gestählt , sondern muhen wie eine liebeskranke Kuh.«
Wollte man einen Gott über den Tisch ziehen, so wirkte es sich zum Vorteil aus, dass es den Göttern vollständig an der Gabe mangelt, etwas anderes zu verstehen als die eigene Natur. Zwar mochte Zegarnald entfernt durchschauen – im Ungefähren –, was Liebe bedeutete, er duldete sie sogar, doch nachvollziehen konnte er sie nicht. Daher leuchteten Brakandarans Worte ihm auf Anhieb ein.
»Ich werde ihre Einmischung sofort unterbinden.«
»Daran tust du recht, Göttlicher. Zuvor jedoch lass mich frei, damit ich gewährleisten kann, dass R'shiel nicht etwa Xaphistas heuchlerischen …«
»Fordere mich nicht heraus, Brakandaran. Du bleibst, bis ich mich mit Kalianah verständigt habe. Und spare dir den Aufwand, meine Brüder und Schwestern zu rufen. Da ich es nicht will, können sie deinen Ruf nicht vernehmen.«
Der Kriegsgott verschwand und ließ Brakandaran in der Halbwelt zwischen Wirklichkeit und Traum allein. Er heftete den Blick auf R'shiel und sah sie auf dem Bett sitzen; sie hatte die Knie an den Leib gezogen und den Kopf auf sie gesenkt. Ihre ganze Körperhaltung bezeugte tiefes Elend. Nochmals versuchte Brakandaran zu ihr durchzudringen, doch er wusste, es war sinnlos. Bis Zegarnald ihn freiließ, konnte er nichts tun, um ihr Beistand zu leisten.
Das Dämonenkind war ganz auf sich gestellt.
51
IN DEN GEMÄCHERN der Ersten Schwester stand Loclon vor dem mannshohen Spiegel und betrachtete neugierig Frohinias nackten Leib. Er bedauerte es, dass sie schon älter war, musste allerdings zugeben, dass ihr Körper noch recht ansehnlich war für eine Frau, die sich dem Ausklang ihrer mittleren Jahre näherte. Leider waren die einst üppigen Brüste inzwischen in enttäuschendem Maß erschlafft. Im Laufe des Lebens waren die Hüften breiter, die Schenkel dicker geworden, und die Haut zeigte Anzeichen der Alterung.
Offenbar hatte er von diesem Leib wenig Freude zu erwarten. All die Vergnügungen, die ihn sonst schon im Voraus zu höchster Erregung angestachelt hatten, ähnelten bloß noch fernen Erinnerungen. Er entsann sich an Lust, aber empfand sie nicht mehr. Anscheinend unterdrückte der Körper, in dem er jetzt wohnte, seine männlichen Gelüste, als ob derlei Begierden in weiblicher Gestalt nicht gedeihen könnten.
Doch wenn ihm die Wollust versagt blieb, so genoss er dafür immerhin Entschädigung. Die Macht, die er als Erste Schwester hatte, raubte ihm schier den Atem. Freilich hielt sich, was er erreichen konnte, vorerst in Grenzen. Herzog Terbolt und seine Priester umlauerten ihn wie Geier einen frischen Kadaver, aber diese Umstände sollten bald ein Ende finden. Er gedachte sich ihnen zu
fügen, solang es sein musste, doch wenn die Karier aus der Zitadelle abreisten, fiel die Macht
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