Dämenkind 2 - Kind der Götter
konnte, öffnete jemand den Zeltverschluss, und ein Hüter trat ein. Schneidig nahm er Haltung an, ehe er Terbolt ansprach.
»R'shiel ist nicht in ihrem Zelt, Herzog. Wenn Ihr mir anvertraut, wohin sie gebracht worden ist, will ich sie ohne Verzug zu Euch führen.«
»Was soll das heißen, sie ist nicht in ihrem Zelt?«
»Vor einer Weile hat jemand sie geholt, Herzog. Der Hauptmann, der bei den Wachen vorsprach, beteuerte ihnen, es geschähe auf Euren Befehl. Ich dachte, dass vielleicht …«
»Ich habe keinen solchen Befehl erteilt. Wer war der Hauptmann?«
»Davon habe ich keine Kenntnis, Herzog. Die Schildwachen kannten ihn nicht.«
Prinz Cratyn sprang auf und kippte in seinem Ungestüm den Feldstuhl um. »Es muss dieser Tarjanian Tenragan gewesen sein, darauf verwette ich mein Leben!«
Terbolt stutzte nur flüchtig. »Wie lang ist es her, Hauptmann, dass man sie geholt hat?«
»Kaum das Viertel einer Stunde, Herzog, länger nicht, wage ich zu behaupten.«
»Dann müssen sie noch irgendwo im Lager sein. Gebt Euren Männern Alarm, Hauptmann! Unzweifelhaft sind Eindringlinge im Lager. R'shiel darf uns auf gar keinen Fall entrinnen. Und macht mir Tenragan unschädlich. Ob er dabei tot oder lebendig endet, ist mir einerlei.«
Auch dieses Mal entbot der Hüter-Hauptmann einen
markigen Gruß, aber selbst Mikel war eindeutig klar, dass er ohne jegliche ernste Entschlusskraft an die Weitergabe der Befehle ging. Ungeduldig schritt Cratyn im Zelt auf und nieder. Kaum war der Medaloner ins Freie entschwunden, wandte sich der Prinz an Terbolt.
»Wenn sich Tenragan in dieser Gegend umhertreibt, dann ist Damin Wulfskling nicht weit. Und das bedeutet, in ihrer Gesellschaft befindet sich auch Prinzessin Adrina.«
Terbolt nickte und langte nach seinem Schwert. »Dann dürften wir heute ertragreiche Jagdbeute machen können. Tarjanian Tenragans Kopf wird als gar prachtvolles Siegeszeichen herhalten.«
»Ihr könnt ihn daheim an das Tor von Burg Schrammstein nageln«, stimmte Cratyn voller blutrünstiger Vorfreude zu. »Und zwar gleich neben den Kopf dieser verfluchten Hexe Adrina.«
62
WÄHREND R'SHIELS TAGE einer um den anderen ineinander verschwammen, gelangte sie – dessen blieb sie sich vollauf bewusst – Karien immer näher. Mit jedem dieser Tage rückte auch die Entscheidung heran, von der ihr völlig klar war, dass sie bald gefällt werden musste. Die Entscheidung, die sie das Leben kosten konnte.
Xaphista sprach häufig zu ihr, mal lockte, mal spottete er. Je weiter sie der Grenze kamen, umso spürbarer gewannen seine Bemühungen, sie zum Übertritt auf seine Seite zu verführen, einen für R'shiel unerklärlichen Anflug der Verzweiflung.
Sie war auf dem Weg in das Land, in dem er über die größte Machtfülle verfügte. Daher hätte er im Gegenteil immer sorgloser werden müssen.
Wenn die Hüter das Lager aufgeschlagen hatten, geleitete man sie in ein eigenes Zelt, das sie ohne Murren bewohnte. Inzwischen ließen die Priester sie gänzlich in Ruhe. Nicht einmal Herzog Terbolt erübrigte für sie noch Beachtung. Für ihn war sie schlichtweg eine Lieferung, die er gen Norden beförderte. An Plaudereien hegte er, selbst wenn R'shiel daran gelegen gewesen wäre, keinerlei Interesse.
Einsamkeit kann die Seele zerstören, R'shiel.
Wie kann ich einsam sein, wenn du bei Tag und Nacht in meinem Kopf spukst?
Ich könnte dir ein treuer Freund sein, Dämonenkind. Ich würde niemals zulassen, dass du einsam bist.
Du musst die Menschen genauer kennen lernen, Xaphista. Das Versprechen, nie mehr allein sein zu sollen, bietet schwerlich eine freudige Aussicht.
Verlangt es dich nach Freuden? Ich kann dir größere Won nen bescheren, als du dir auszumalen vermagst.
Du verstehst nichts von Wonne.
Dann lehre mich, sie zu verstehen. Sage mir, was du be gehrst, und ich will es lernen.
Woher die Verzweiflung?
Woher der Trotz?
Als R'shiel darauf keine Antwort gab, schwieg Xaphista.
Eines späten Abends, nachdem das kaum angerührte Mahl wortlos von einem Geistlichen abgetragen worden war, streckte sie sich auf dem Lager aus und dachte zum ersten Mal seit ihrer Gefangennahme gründlich über ihr Schicksal nach.
Die Möglichkeit einer etwaigen Rettung war als gering zu bewerten. Wäre Brakandaran in der Lage, sie zu befreien, hätte er es längst getan. Die Dämonen standen in magischem Connex mit der Harshini-Magie; sie konnte sie nicht rufen, ohne die Schmerzwirkung der Halskette zu erleiden. Tarjanian weilte
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