Dämenkind 2 - Kind der Götter
Mal. Tarjanian öffnete den Zeltausgang, und sie ging hinaus; für jeden Schritt musste sie all ihre Aufmerksamkeit ballen.
Er liebt dich nicht. Es ist keine echte Liebe. Kalianah hat sie ihm aufgezwungen. Allein ich kann dich so lieben, wie du geliebt werden möchtest.
Im Freien schloss R'shiel sich den Männern an, die sich eingefunden hatten; sie geleiteten sie fort vom Zelt.
Tarjanian hielt sich an ihrer Seite. Von seiner Gestalt strahlte eine solche Anspannung aus, dass R'shiel sie fühlte wie Sonnenlicht.
Mir kannst du nicht widerstreben, Dämonenkind.
Sie missachtete Xaphista, denn mittlerweile war ihr klar geworden, dass ihre Antworten ihm nur Macht über sie verliehen. Seine Gegenwart anzuerkennen war nur ein Schrittchen davon entfernt, ihn anzubeten, und eben die Verehrung und Anbetung durch seine Gläubigen stattete diesen emporgekommenen Dämon mit all seiner Kraft aus.
Du wirst erkennen müssen, dass alles, woran du glaubst, eine einzige Lüge ist. Und wenn du dann vor mir stehst, werde ich dir nicht mehr hold sein. Du wirst büßen.
Im nächsten Augenblick erglühte die Halskette.
63
GEMEINSAM MIT TAMYLAN harrte Adrina im Finstern aus und beaufsichtigte die Pferde, auf denen sie, Damin, Almodavar sowie die beiden anderen Hythrier, die Damin als Begleiter erwählt hatte, nach R'shiels Befreiung schleunigst fortzureiten gedachten. Die gesamte Schar war in ähnlich kleine Häufchen aufgesplittert worden, die sich in alle Richtungen verteilen sollten. Dahinter steckte die Absicht, den Hütern, was die Verfolgung betraf, eine so unübersichtliche Wahl zu bieten, dass sie nicht erkannten, wem sie eigentlich nachsetzen müssten.
Nicht einmal Adrina wusste, welche Himmelsrichtung sie nahmen, sobald es so weit war, aber auf alle Fälle die Gegenrichtung zu dem Weg, den Tarjanian Tenragan und Brakandaran mit R'shiel einschlugen. Man musste es dem Gegner nicht leichter machen, als er es allemal hatte.
Kurz zuvor hatten sie voneinander Abschied genommen, und zu Adrinas Überraschung war zu diesem Zweck auch Tenragan zu ihr gekommen. Da er stets Abstand von ihr hielt, weil das Schicksal ihres Bruders es ihnen verwehrte, sich jemals näher zu stehen, hatte sie diese Geste als recht ungewöhnlich empfunden. Während der Vorbereitungen zum Aufbruch hatte er sie ein paar Schritte weit zur Seite geführt.
»Ist unserem Anschlag Erfolg beschieden, Eure Hoheit, sehen wir uns vielleicht niemals wieder.«
»Ich hege vor Euch Achtung, Tenragan, aber nicht genug, um einen Fehlschlag zu erhoffen, weil wir dann Freunde werden könnten.«
»Darf ein etwaiger Freund zum Abschied einen Rat äußern?«
»Wenn Ihr glaubt, er könnte mir von Nutzen sein … Leider zählt es auch nicht zu meinen Tugenden, auf Ratschläge zu hören.«
Flüchtig hatte Tenragan geschmunzelt und dann wieder eine ernste Miene gezogen. »Entscheidet Euch, was Damin anbelangt, und zwar lieber früher als später.«
»Was gibt es da zu entscheiden? Ich weiß, Tenragan, Ihr seid sein Freund, aber missversteht sein Verhalten nicht als Edelmut. Er wünscht keinen karischen Anwärter auf den Thron meines Vaters. So einfach und nicht anders verhält sich die Sache.«
Tenragan hatte den Kopf geschüttelt. »Ihr betrügt Euch selbst, Adrina. Er liebt Euch. Wahrscheinlich fast so sehr, wie Ihr ihn liebt.« Er hatte die Hand erhoben und den Widerspruch abgewehrt, der Adrina auf der Zunge gelegen hatte. »Spart Euch den Aufwand, es zu leugnen. Ihr und Damin seid die beiden einzigen Menschen in ganz Medalon, die nicht die Wahrheit erkennen.«
»Ihr bildet Euch da etwas ein«, hatte Adrina spöttisch entgegnet.
»So? In diesem Fall, wenn Ihr nichts anderes anstrebt, als Euch Cratyn zu entziehen, ist es ja wohl einerlei, wohin Ihr Euch wendet. Soll ich also zu Damin gehen
und ihm ausrichten, Ihr habt beschlossen, R'shiel und mich zu begleiten, ja? Dann kann er nach Hythria heimkehren, und Ihr …«
»Nein!« Der Schrecken, den sein Ansinnen ihr eingejagt hatte, hatte sogar Adrina verblüfft.
Tenragan aber hatte gelächelt. »Seht Ihr's? Es ist durchaus keine so einfache Sache, nicht wahr?«
Adrina hatte das Unvorstellbare ihm jedoch nicht zu
gestehen wollen. »Ihr zieht voreilige Schlussfolgerungen, Tenragan. Begleite ich Damin, bin ich in die ungefähre Richtung meiner Heimat unterwegs. Wohin es Euch und R'shiel allerdings verschlagen wird, mögen allein die Götter wissen.«
Der Hauptmann hatte den Kopf geschüttelt und altklug geschmunzelt.
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