Dämenkind 2 - Kind der Götter
seinen Ruf. Jetzt dem Oberbefehl eines karischen Herzogs zu unterstehen, musste sie ungemein wurmen.
Mikel war alt genug, um zu begreifen, dass ausschließlich gewohnheitsmäßige Zucht und Ordnung sie so zahm hielt. Die Hythrier waren geflohen, und Mikel vermutete, die Karier hätten, wäre der Krieg anders ausgegangen, das Gleiche getan. Es wirkte wie bitterer Hohn, dass eben die allbekannte Befehlstreue, der das Hüter-Heer seinen Ruhm verdankte, es nun der Gnade des Gegners auslieferte.
In der Mitte des Lagers kam dem Prinzen Herzog Terbolt entgegen, den es sichtlich verdutzte, den karischen Thronfolger so fern von der Grenze anzutreffen. Cratyn saß ab, doch zu Mikels Erleichterung musste einer von Terbolts Leuten sich des Pferds annehmen. Ausgelaugt rutschte Mikel aus dem Sattel, und zu seiner matten Freude kümmerte sich jemand auch um sein Reittier. Cratyn winkte ihn heran, und Mikel folgte ihm in Herzog Terbolts Zelt, wobei er sich fragte, ob der Herzog ihnen wohl eine Mahlzeit vorsetzte.
»Ich muss gestehen, ich habe bei weitem nicht erwartet, Euch in dieser Gegend anzutreffen, Eure Hoheit«, sagte Terbolt, indem er zwei Becher mit Wein füllte. Dann sah er Mikel an und wies mit einer Kopfbewegung auf ein Fass, das in einer Ecke des Zelts stand. »Da ist Wasser. Du darfst davon trinken.«
Mikel verneigte sich, eilte zu dem Fass und tauchte froh die Schöpfkelle in das kalte Wasser, während Prinz
Cratyn sich in Terbolts einzigen bequemen Feldstuhl setzte.
»Ebenso wenig habe ich die Vorstellung gehegt, hier Euch zu begegnen, Herzog.«
»Mein Werk in der Zitadelle ist vollbracht. Ich habe Knappe Mathen zum Verweser ernannt.«
Cratyn schnitt eine Miene des Missfallens. »Einen Gemeinen?«
»Ein Gemeiner mag er sein, Eure Hoheit, aber er ist der gerissenste Kerl, den ich kenne. Und der rücksichtsloseste aller Schergen. Ihm gehört mein vorbehaltloses Vertrauen. Ich bin der festen Überzeugung, Ihr werdet noch ersehen, dass er aufs Herausragendste für diese Stellung taugt.«
»Und das Dämonenkind?«
»Sie ist in unserem Gewahrsam und weilt hier im Lager. Wenn Ihr es wünscht, lasse ich sie Euch vorführen. Ich selbst sehe dem Balg nicht an, dass sie zu Höherem bestimmt sein soll. Aber wer sind wir, als dass wir den Willen unseres Gottes in Zweifel ziehen dürften, nicht wahr, Eure Hoheit?«
»Man soll sie herbringen.«
Terbolt nickte und stapfte zum Zeltausgang. Er schlug den Verschluss beiseite und erteilte einen entsprechenden Befehl; dann kehrte er geschwind zurück zu seinem Becher Wein.
»Ihr habt bislang nicht erwähnt, Eure Hoheit, welche Absicht Ihr in diesem Landstrich Medalons verfolgt.«
»Prinzessin Adrina ist von den Hythriern verschleppt worden. Kurz vor Hochmeister Jengas Waffenstreckung haben sie mit ihr die Grenzgegend verlassen.«
Terbolt wirkte aufrichtig entsetzt. »Beim einzigen und wahren Gott! Wie haben sie über die Grenze vordringen können? Stand die Prinzessin unter keinem bewaffneten Schutz?«
»Ich glaube, meine Gemahlin hat … möglicherweise … von sich aus zu ihrer Verschleppung beigetragen«, lautete Cratyns vorsichtige Antwort; dass sie ihm ausgerissen war, mochte er offenbar gegenüber Herzog Terbolt nicht zugeben.
Missgestimmt verzog der Herzog die Miene. »Ich war nie glücklich über diese Eheschließung, das wisst Ihr, mein Prinz. Ich hätte es lieber erlebt, Ihr hättet Euch mit meiner Tochter vermählt.«
»Und ich, Herzog, hätte in der Tat viel lieber Virgina zur Gemahlin genommen.«
»Jetzt ist es wohl zu spät«, meinte Terbolt, indem er aufseufzte, »um etwas zu ändern.«
»Vermutlich.« Cratyn schlürfte Wein und musterte über den Becherrand hinweg den Herzog. »Es sei denn, meiner Gemahlin stieße etwas zu.«
»Eure Hoheit?«
»Immerhin ist sie von Hythriern entführt worden. Ihr wisst, was für Barbaren das sind. Solches Volk ist zu allem fähig. Es ist sogar durchaus denkbar, dass sie sie morden.« Mikel hatte Cratyn denselben Gedanken schon gegenüber Graf Drendyn äußern gehört, aber nicht in dermaßen ruhigkaltherzigem Ton.
»Wahrlich, das wäre eine große Schandtat«, antwortete Terbolt mit ähnlich kühler Stimme. Hätte Mikel es nicht mit eigenen Ohren vernommen, nie hätte er geglaubt, der Herzog könne sich so unbefangen derartigen
Überlegungen anschließen. »Seid Ihr Euch ganz sicher, dass sie sich in der hiesigen Umgebung aufhalten? Wir haben von ihnen keinerlei Spuren entdeckt.«
Bevor Cratyn etwas entgegnen
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