Dämenkind 2 - Kind der Götter
Umschweife zu ihm, Denjon.«
»Wie du wünschst.«
Der Feldhauptmann drehte sich um und lief, gefolgt von R'shiel, Brakandaran, Adrina und Mikel, durchs Lager. Beobachtet wurden sie unterwegs von den neugierigen Augen einer Tausendschaft Hüter, die ahnten, dass sich eben etwas höchst Bedeutsames ereignet hatte.
Welche Auswirkungen es nach sich ziehen mochte, würde sich allerdings erst klären, wenn ihre Hauptleute darüber entschieden hatten, was nun, nachdem sie der karischen Oberhoheit ledig waren, geschehen sollte. R'shiel wusste, dass sie sich für zwei Möglichkeiten
entscheiden konnten: Entweder gehorchten sie dem einmal erhaltenen Befehl und setzten den Marsch zur Nordgrenze fort; oder sie wählten den gefährlicheren Weg und missachteten den Befehl.
Nach R'shiels fester Überzeugung würden sie lieber den letzteren Weg gehen, aber weniger überzeugt war sie davon, dass sie wirklich gemäß ihrer Neigung handelten. Die Hüter-Krieger nahmen ihre Pflichten überaus ernst. Von allen Angehörigen des Hüter-Heers, die sie kannte, hatten allein Tarjanian und Hochmeister Jenga genügend Willenskraft aufgebracht, um ihrem Eid, sobald man ihnen Unerträgliches zugemutet hatte, untreu zu werden.
Als Denjon den Eingang des großen Krankenzelts öffnete und R'shiel ein widerwärtiger Geruch nach Blut und Tod entgegenschlug, gab sie sich der schwachen Hoffnung hin, dass Tarjanians Hauptmannskameraden, wenn es auf sie ankam, das gleiche Rückgrat zeigten.
65
WAS R'SHIEL IN DEM lang gestreckten Zelt als Erstes auffiel, war die Abwesenheit von Heilerinnen. Da fast ausschließlich Mitglieder der Schwesternschaft zum Stand der Heiler zählten, schien es ihr undenkbar zu sein, dass die Hüter einen so langen Marsch ohne eine Anzahl in den Heilkünsten bewanderter Schwestern angetreten hatten. Als sie Denjon auf diese Eigentümlichkeit ansprach, hob er die Schultern.
»Diese Entscheidung hat Herzog Terbolt getroffen. Keine einzige Schwester begleitet uns. Ich glaube, er traut ihnen nicht. Außerdem sollten wir ihm lediglich Geleit bis zur Grenze gewähren. Auf Gefechte waren wir nicht eingestellt.«
»Wieso hat Terbolt tausend Mann Geleit verlangt? Selbst bei einem Karier hat so etwas für mich den Anschein einer erheblichen Übertreibung.«
»Wenn die Fardohnjer über Medalons Südgrenze vordringen, werden die dortigen Hüter Verstärkung anfordern«, erläuterte Damin, während er unversehens das Zelt betrat. »Weilt dann der Kern des Hüter-Heers im Norden, kann die Schwesternschaft, selbst wenn sie's wollte, keine Verstärkung schicken. Was indessen die Karier nicht wissen, ist die Tatsache, dass Hablet ganz eigene Absichten verfolgt. Er denkt gar nicht daran, den
Kariern Beistand zu leisten, sondern hegt den Vorsatz, nach Hythria vorzustoßen.«
Adrina wirbelte herum, als sie seine Stimme hörte, und sprang zu ihm. Kurz drückte er sie an die Brust, dann schaute er ihr aus Armlänge ins Gesicht. »Bist du wohlauf?«
»Aufs Beste. R'shiel hat im allerletzten Augenblick das Schlimmste verhütet.«
Kaum erwähnte Adrina ihren Namen, heftete Damin den Blick auf R'shiel, doch er konnte seine Betroffenheit nicht verhehlen. Mit den kurz geschorenen Haaren und den die durch Magie-Macht, von der zu lassen sie sich vorerst weigerte, geschwärzten Augen hatte sie wohl nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem Mädchen, an das er sich entsann.
»Wo ist Tarjanian?«, erkundigte sich Damin.
Der Sergeant musste ihm erzählt haben, was gegenwärtig geschah – das Wenige jedenfalls, was er wusste.
R'shiel sah Denjon an, der auf ein schmales Krankenlager am äußersten Ende des Zelts wies. Nur ein paar Liegen waren belegt, und die Männer, die darauf ruhten, wirkten ausnahmslos, als wären sie schwer verwundet. Im Hüter-Heer deutete man den Begriff »Gehfähigkeit« recht großzügig. Wer stehen konnte, galt nicht als beeinträchtigt genug, um einen Platz im Krankenzelt beanspruchen zu dürfen. Diese Verletzten waren die ärgsten Ausfälle der vergangenen Nacht. Bestimmt befanden sich noch mehr Hüter im Lager, die unter den Folgen von Tarjanians gescheitertem Fluchtversuch zu leiden hatten.
Voller Furcht vor dem, was sie vorfinden mochte, schob sich R'shiel an Denjon und dem Feldscher vorüber, der die Aufsicht hatte, und näherte sich zaghaft Tarjanians Liege. Es schnürte ihr die Kehle zu, als sie davor verharrte. Er war bleicher als totenblass und atmete anscheinend kaum noch.
»Habt Ihr ihm etwas
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