Dämenkind 2 - Kind der Götter
»Heda, Dämonenkind! Solltest du zufällig den Wunsch hegen, etwas Nützliches zu vollbringen, so ist jetzt die rechte Stunde angebrochen.«
Cratyn drosch nochmals zu. Die Wut trübte ihm den Verstand.
»Lasst ab von der Prinzessin!«, schrie Mikel, aber Herzog Terbolt hielt ihn fest.
Komm zu mir, R'shiel. Ob aus Liebe oder aus Furcht, letz ten Endes folgst du meinem Willen.
Der Bursche sträubte sich gegen Terbolts Griff, während Adrina es mit dem Prinzen aufnahm. Ihre geballte Faust warf ihn beinahe rücklings nieder. Sie mochte eine Prinzessin sein, aber sie kämpfte wie ein Marktweib. Zwar ächzte sie auf, als ihr frisches Blut aus einer Schulterwunde schoss, doch weder hemmte der Schmerz sie noch die Tatsache, dass Cratyn größer war als sie und schwerer.
Hier gibt es Menschen, die dich brauchen.
Mit einem inneren Ruck erkannte R'shiel, dass Adrina diesen Satz zu ihr gesprochen hatte.
Cratyn gelang es, Adrina abzuschütteln, und unverzüglich zückte er das Schwert. Beim Anblick der Klinge wusste Adrina, dass es aus war mit ihr, R'shiel erkannte es in ihren Augen. Mikel verfiel, als er sah, welche Absicht Cratyn hatte, ins Schluchzen.
Nicht dagegen Adrina. Sie trotzte ihm bis zum Letzten.
»Nur zu, Kretin, töte mich. Aber zuvor sollst du wissen, dass ich fürwahr einen Geliebten hatte. Und noch etwas: Es war wundervoll . Einen starken und hingebungsvollen Geliebten hatte ich, und wir haben uns bei jeder Gelegenheit geliebt, die sich bot, überall, wo wir es nur konnten. Und am herrlichsten … am herrlichsten daran war … dank seiner Zuneigung konnte ich dich und deinen miesen, hinterhältigen ›Allerhöchsten‹ vergessen.«
Solltest du zufällig den Wunsch hegen, etwas Nützliches zu vollbringen, so ist jetzt die rechte Stunde angebrochen.
Deinen miesen, hinterhältigen ›Allerhöchsten‹.
Im selben Augenblick, als Cratyn das Schwert hob, langte R'shiel in ihren Stiefel und zog das kleine Messer, das Garet Warner ihr zugesteckt hatte. Sie warf es ohne Fehl. Mit einem dumpfen Geräusch traf es Cratyn in die Brust.
Entgeistert senkte der junge Prinz den Blick auf den Messergriff, der aus seinem Wams ragte. Dann verdrehten sich seine Augen, und er sank in sich zusammen.
Adrina sah R'shiel kurz an und lächelte. »Eines muss ich dir zugestehen, Dämonenkind: Wenn du handelst, dann genau zur rechten Zeit.«
R'shiel kam nicht zum Antworten. Terbolt stieß Mikel von sich und öffnete den Mund, um die Wachen zu rufen. Sofort zapfte R'shiel ihre Magie-Kräfte an. Die Halskette sengte sie, doch dadurch ließ sie sich nicht mehr abschrecken.
Sie hatte den Kniff durchschaut. Die Wirkung der Halskette beruhte geradeso auf Furcht wie auf Pein. Xaphista hatte es ihr, gewiss unfreiwillig, selbst verraten. Komm zu mir, R'shiel. Ob aus Liebe oder aus Furcht, letzten Endes folgst du meinem Willen. Aus Furcht. Nicht aus Leid. Die Furcht vor Qualen sonderte sie von der Magie ab, nicht die Schmerzen an sich. Wenn Adrina ohne Zagen dem Tod ins Angesicht blickte, so konnte R'shiel sicherlich ein wenig Schmerz ertragen.
Sie streckte den Arm, sodass er auf Terbolt deutete. Der Herzog ging zu Boden, ehe er es schaffte, einen Laut von sich zu geben; nicht einmal R'shiel hätte es verlässlich sagen können, ob er tot war oder besinnungslos. Anschließend lenkte sie die Aufmerksamkeit
in ihr Inneres und ballte sie um die Halskette. Es kostete sie kaum mehr als einen Gedanken, sie zu zertrümmern, sie flog ihr vom Hals wie ein Schauer von Funken. Mit ihr verschwand die glühende Pein. Im Hintergrund ihrer geistigen Wahrnehmung bemerkte R'shiel den Widerhall eines Schreckensschreis. Xaphista sah sie für sich verloren.
Zum ersten Mal seit Wochen fühlte sich R'shiel im Ganzen wiederhergestellt. Magische Kraft durchströmte sie, vertrieb die Beschwerden, heilte die Verbrennungen. Ihre Empfindungen brachten sie reiner Freude näher, als sie sie je zuvor erlebt hatte.
Dann heftete sie den Blick auf Adrina. Sie mochte diese furchtlose fardohnjische Prinzessin. Sobald sie ihre Schulter berührte, fühlte sie, dass unter ihrer Hand Muskeln und Haut gesundeten.
Während sie die genesene Schulter probeweise bewegte, musterte die Prinzessin sie voller Staunen; dann furchte sie die Stirn. »Hab Dank. Doch gedenkst du nun hier zu verweilen und sieghaft dazustehen, oder wollen wir den anderen zu Hilfe eilen?«
»Wo sind sie?«
»Wie soll denn ich es wissen? Mikel!« Soeben versuchte der Junge an den schlaffen Gestalten
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