Dämenkind 2 - Kind der Götter
Bedeutsames zu sagen, so tut es bald«, riet der Feldscher mit kühler Zweckmäßigkeit. »Er ist nahezu tot. So viel Blut hat er verloren, dass es mich wundert, wieso sein Herz noch einen Grund hat zu schlagen.«
Entsetzt blickte R'shiel dem Mann ins Gesicht, dann schaute sie sich nach Brakandaran um. Er hatte inzwischen die Verbindung zum Magie-Quell unterbrochen; daher sah R'shiel in seinen fahlen Augen Bedenken stehen.
Ihm war gänzlich klar, welchen Wunsch sie hegte. Sie brauchte ihn nicht erst zu nennen.
»Ich weiß nicht recht, R'shiel …«
Adrina, die noch an Damin hing, musterte R'shiel und Brakandaran aus großen Augen; sie fühlte sich offensichtlich durch die Äußerung des Magus verwirrt.
»Was soll das heißen, Ihr wisst ›es nicht recht‹? Ihr seid Harshini. Ihr könnt ihn doch heilen, oder? Mit bloß einer Berührung ihrer Hand hat R'shiel meine verletzte Schulter geheilt.«
R'shiel kniete sich neben die Liege und senkte eine Hand auf Tarjanians Stirn. Seine Haut erwies sich als kalt und klamm. Er lag in tiefer Bewusstlosigkeit, ihm entfloh das Leben, nur Weniges trennte ihn noch vom Tod. R'shiel hatte den Eindruck, dass die Magie-Kräfte ihre Sinne ebenso schärften wie abstumpften. Obwohl
sie spürte, dass sein Ende nah war, blieb ihr Gemüt auf irgendeine Weise völlig abgesondert von dem Kummer, den sie deshalb hätte empfinden müssen. Vielleicht holte er sie nachträglich ein, wenn keine Magie sie mehr durchströmte.
»Geht hinaus«, forderte sie die Anwesenden leise auf; als niemand Anstalten machte, dem Ansinnen nachzukommen, hob sie scharf den Blick. »Hinaus! Alle hinaus!«
Offenbar verdutzte ihr Tonfall die Angesprochenen, denn sie erhielt keine Widerworte. Während sie der Reihe nach das Zelt verließen, wandte sich R'shiel wieder Tarjanian zu und wünschte voller Verzweiflung, sie wüsste, wo sie den Anfang machen sollte. Adrinas frische, unschwer durchschaubare Schulterwunde zu heilen war eines gewesen; jemanden zu retten, der längst an der Schwelle des Todes weilte, bedeutete eine gänzlich andersartige Aufgabe.
R'shiel wartete, bis sie allein war; allein mit demjenigen allerdings, von dem sie gewusst hatte, dass er nicht aus ihrem Umkreis wich, solange sie fortwährend eine dermaßen gewaltige Macht wie die Magie-Kraft anzapfte. Ob ihn Anhänglichkeit oder Argwohn an ihrer Seite hielten, wusste sie nicht. Aber es blieb ihr einerlei.
»Ich bin dazu außer Stande, Brakandaran. Vom Heilen verstehe ich zu wenig.«
»Zu meinem Bedauern bin ich dir keine große Hilfe, R'shiel. So wie bei dir liegt auch meine Begabung im Gegenteiligen.«
Ruckartig hob sie den Kopf und fragte sich, wie jemand nur so kaltherzig sein konnte.
»Dennoch muss ich es versuchen.«
»Hast du schon die Möglichkeit erwogen, dass es vielleicht nicht anders sein soll?«
»Was soll das heißen?« Der Magus wich ihrem Blick aus. »Brakandaran! Was willst du damit sagen?«
»Der Tod entscheidet, wann jemandes Zeit um ist, R'shiel, nicht du, nicht ich, überhaupt niemand anderes.«
»Behauptest du, Tarjanians Zeit sei abgelaufen?«
»Ich weise darauf hin, dass der Tod nicht feilscht.«
Zärtlich strich R'shiel das Haar aus Tarjanians Stirn. »Und wenn ich mit Gevatter Tod rede? Kann ich ihn nicht darum bitten, Tarjanian zu verschonen?«
»Nicht ohne ihm ein Leben gleichen Werts anzubieten.«
»Woher weißt du darüber Bescheid?«
»Weil es so geschehen ist, als die Harshini dich geheilt haben, R'shiel. Der Tod hat als Gegenleistung ein anderes Leben verlangt.«
»Wessen Leben? Wer war denn dazu fähig, eine solche Entscheidung zu fällen?« Als Brakandaran keine Antwort gab, forschte sie in seiner Miene; die Farbe wich ihr aus dem Gesicht. »Du warst es, stimmt's?« Einige Augenblicke lang betrachtete sie Tarjanian; dann richtete sie sich langsam auf. »War es Tarjanians Leben, das du verschachert hast, Brakandaran? Ist das der Grund, warum du ihn sterben lassen willst? Damit dein Handel aufgeht?«
»R'shiel …«
»Sprich die Wahrheit, Brakandaran!«, schrie R'shiel ihn aufgebracht an. »Wer muss für mich sterben? Wes
sen Leben hast du gegen meines eingehandelt? Du Lump! Wie konntest du dich zu so etwas versteigen?!«
»Ich durfte nicht dulden, dass du stirbst, R'shiel.«
»Du glaubst, ich wollte mit dem Wissen leben, dass über irgendeinen armen Hund das Todesurteil verhängt ist, damit ich weiteratmen kann? Wer ist es, Brakandaran? Wen hast du verworfen? Tarjanian war es, nicht wahr?
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