Dämenkind 2 - Kind der Götter
Tarjanian muss sterben, damit ich leben kann. Ein Leben gleichen Werts, hast du gesagt …«
Brakandaran packte sie an den Schultern und schüttelte sie kräftig durch. R'shiel stellte das Schelten ein und schlang schluchzend die Arme um den Magus.
»Es war nicht Tarjanian«, erklärte er halblaut, während er sie umfangen hielt.
Sie löste sich aus seiner Umarmung und wischte sich die Augen. »Wer war's, Brakandaran?«
»Du brauchst es nicht zu wissen.«
»Doch, ich muss es erfahren.«
»O nein, durchaus nicht. Und ohnedies offenbare ich es dir auf gar keinen Fall. Nimm dich Tarjanians an. Vielleicht ist er zum Sterben bestimmt, mag sein, er ist es nicht. Ich kann es nicht erkennen.«
»Ich glaube nicht an Bestimmung.«
»Genau darin ist die Ursache all der Schwierigkeiten zu erblicken, in denen du seit einiger Zeit steckst.« Brakandaran führte sie zurück zu der Liege und kniete gemeinsam mit ihr nieder, untersuchte Tarjanians reglose Gestalt mit dem Blick des weitaus Erfahreneren. »Er ist dem Tode nah, R'shiel. Selbst Cheltaran fiele es schwer, sein Ableben noch abzuwenden.«
»Ich verfüge über die Kraft, Berge zu versetzen, Bra kandaran, du selbst hast es gesagt. Kannst du mir nicht zeigen, wie …« R'shiel streichelte Tarjanians feuchtkalte Stirn. Fast drängte sich die Verzweiflung zwischen sie und die Magie. »Kannst du nicht bewirken, was Glenanaran für mich getan hat? Die Zeit anhalten?«
»Zu welchem Zweck sollte er fortgesetzt am Rand des Todes verweilen, R'shiel? Die Lebensgefahr geht weniger von der Stichwunde aus, sondern viel stärker vom Blutverlust. Knochen und Fleisch kann man mittels Magie leicht erneuern, doch nicht einmal die Götter haben die Fähigkeit, aus Luft Blut zu erschaffen.«
»Aber ich fühle, dass er stirbt!«
»Ich weiß.«
»Dann sag mir, was ich tun soll!«, schrie sie. »Cheltaran rufen? Er ist der Gott der Heilkunst. Er müsste …«
»Er würde nicht kommen, R'shiel«, unterbrach sie Dacendaran trübselig, indem er am Fußende der Liege erschien. »Zegarnald ließe es nicht zu.«
Zorn durchwallte R'shiel und schärfte die Magie, die sie erfüllte, zu einer über die Maßen gemeingefährlichen Waffe. Wie kann Zegarnald es wagen, Tarjanian das Recht auf Leben zu verweigern? »Was soll das heißen, er ließe es nicht zu? «
Der junge Gott zuckte unbehaglich die Achseln. »Seine Ansicht lautet, du hättest schon zu häufig den leichteren Weg gewählt.«
»Soll das bedeuten, Tarjanian liegt im Sterben, um mich auf die Probe zu stellen ?«, fragte R'shiel wutentbrannt. »Was für ein abartiges Geschmeiß seid ihr Götter eigentlich, Dacendaran? Wie unmenschlich ihr doch seid!«
» Jetzt endlich verstehst du allmählich«, bemerkte Brakandaran.
Dacendaran zupfte an einem losen Faden seiner buntscheckigen Bluse und mied R'shiels vorwurfsvollen Blick. »Es ist nicht meine Schuld. Ich dürfte nicht einmal hier zugegen sein. Aber Kalianah hat für Tarjanian eine Schwäche, darum stört sie Zegarnalds Treiben.«
»Was hat Kalianah gesagt, Dacendaran?«
R'shiel sah Brakandaran an; die Frage befremdete sie.
»Ich soll R'shiel ausrichten: Die Liebe wird siegen.«
»Ach, das ist wahrlich eine große Hilfe«, höhnte R'shiel.
»Hadere nicht mit mir, ich bin nur der Sendbote. Sie hat hinzugefügt, dass du Beschützer hast und deren Schutz sich auf alle erstreckt, die dich wahrhaft lieben. Darum hat sie, glaube ich, das getan, was sie getan hat. Manchmal weiß sie etwas …« Dacendarans Stimme verklang; danach stieß er einen Seufzer aus. »Vergib mir, R'shiel, ich muss fort. Ich wollte, du wärst eine Diebin. Dann könnte ich dir weit wirksamer behilflich sein.«
R'shiel spürte, dass der Gott entschwand, ihre Furcht um Tarjanian jedoch beherrschte sie viel zu stark, als dass sie sich darum geschert hätte. Es bereitete ihr grässliche Sorgen, er könne sterben, bevor sie einzugreifen in der Lage war, doch zur gleichen Zeit beunruhigte sie der Gedanke, was sich ereignen mochte, falls sie etwas unternahm. Ohne ihn zu leben wäre für sie schrecklich genug; aber zu wissen, sie hätte zu seinem Tod beigetragen, wäre ihr unverwindbar.
»Eine Botschaft der Götter sollte man niemals missachten, R'shiel«, ermahnte sie Brakandaran. »Am we
nigsten, wenn sie von einer so mächtigen Göttin wie Kalianah stammt.«
»Die Liebe wird siegen« , wiederholte R'shiel spöttisch und äffte dabei recht wirklichkeitsgetreu Dacendarans Stimme nach.
»Des Weiteren hat sie
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