Dämenkind 2 - Kind der Götter
die Harshini darüber Bescheid?«, fragte R'shiel leicht spöttisch.
»Sie wissen Bescheid, weil sie Harshini sind, R'shiel. Sie stehen mit der Tierwelt so mühelos in Verbindung wie mit den Menschen. Meines Erachtens ziehen sie durchaus den Umgang mit dem Getier dem Verkehr mit den Menschen vor. Die Tiere kennen nämlich bislang keinen Krieg.«
»Lass mich eines sagen, Brakandaran: So wie du hier bist, könnte dir fast mein Herz zufliegen. Wieso hast du das Sanktuarium jemals verlassen?«
Aber er verweigerte ihr die Antwort; und ein gewisser Ausdruck in seinen Augen riet ihr davon ab, ihn in dieser Angelegenheit um Auskunft zu bedrängen.
8
»WIE LANGE BEFINDET SIE sich mittlerweile in dieser Verfassung?«, fragte Garet Warner.
Man hatte sich im einigermaßen wiederhergestellten Saal des Kastells versammelt: Warner saß in dem Lehnstuhl, in dem am Vorabend Mahina Cortanen gesessen hatte. Tarjanian hockte in der Nähe Jengas, der im einzigen anderen Lehnstuhl Platz genommen hatte, auf dem Kaminsims.
»Seit der Ankunft in Testra«, stellte Jenga klar; er starrte in die Flammen und mied den Blick des Obristen.
Damin Wulfskling lehnte am Kamin und stocherte mit einem eisernen Schürhaken im unzulänglichen Feuer. Es gab in der Ebene keine Bäume, deshalb mangelte es an Brennstoff, und ein beträchtlicher Teil des HüterHeers beschäftigte sich mit der ständigen Suche nach Holz, um für den kommenden Winter einen Vorrat anzulegen. Wäre keine so hohe Anzahl von Pferden vorhanden, stünde es wahrlich schlecht um die Befeuerung des Heerlagers. Im Kamin Holz zu verbrennen, mochte in gewissem Maße eine unkluge Verschwendung sein, aber Damin war dennoch froh darüber, dass ihm zumindest hier im Saal der scharfe Gestank von schwelendem Pferdemist erspart blieb.
»Wie ist es dazu gekommen?«
»Da bin ich mir nicht sicher.«
Das spürbare Unbehagen des Obersten Reichshüters entlockte Damin ein leises Auflachen. »Dacendaran, der Gott der Diebe, hat ihr den Verstand entwendet, Obrist. Der Hochmeister mag sich mit dieser Tatsache aber nicht so recht abfinden.«
»Eine Einstellung, der ich mich anschließe, Kriegsherr. Wir glauben nicht an Eure Götter.«
»Ob Ihr an sie glaubt«, antwortete Damin schulterzuckend, »oder nicht, bleibt einerlei, es ist die Wahrheit. Fragt Tarjanian.«
Warner heftete den Blick auf den Hauptmann. »Nun, Tenragan?«
»Jemand hat einmal mir gegenüber erwähnt, dass er zwar an die Götter glaube, aber seine Zweifel an ihrer Verehrungswürdigkeit hege. Diese Aussage fasst nach meiner Meinung hinsichtlich der Götter alles Wesentliche zusammen. Es gibt die Götter, Obrist, und sie haben sich, wie Frohinias Zustand beweist, in unsere Angelegenheiten eingemischt.«
»Und seither versendet Ihr in ihrem Namen Befehle?« Dem Obristen ließ sich unmöglich ansehen, was er dachte. Er war, befand Damin, ein Meister in der Kunst des Undurchschaubarbleibens. Er könnte einen glanzvollen fardohnjischen Händler abgeben.
»Seit Kariens Botschafter in Medalon getötet wurde, ist die Gefahr eines karischen Großangriffs von der reinen Möglichkeit zur Gewissheit geworden«, erklärte Tarjanian. »Wäre der Hochmeister mit Frohinia in die Zitadelle umgekehrt, so tagte das Quorum noch heute und beriete endlos über das richtige Vorgehen. Auf
diese Weise jedoch konnten wenigstens Vorbereitungen getroffen werden.«
»Habt Ihr ihn umgebracht?«, fragte Warner.
»Nein, aber ich war zur Stunde des Gefechts Anführer unserer Seite. Daher muss ich wohl die Verantwortung tragen.«
Matt schüttelte Warner den Kopf und widmete seine Aufmerksamkeit wieder Jenga. »Ich kenne Euch seit langem, Hochmeister. Es kostet mich gewaltige Mühe, irgendwie zu verstehen, wodurch Ihr in eine solche Lage geraten seid. Wie man's auch dreht und wendet, es ist und bleibt Verrat.«
Medalons Oberster Reichshüter nickte schwermütig. »Ihr und ich, wir haben einmal über diese Art der Entscheidungsnot gesprochen. Meine Frage an Euch lautete, was Ihr tätet, erginge an Euch ein Befehl, den Ihr als verwerflich beurteilt. Eure Antwort war, Ihr würdet ihn ungeachtet aller Folgen nicht ausführen. Genau das waren die Umstände, unter denen ich so gehandelt habe – und handeln musste –, dass es als Verrat zu gelten hat.«
Garet Warner lehnte sich zurück und musterte die drei anderen Männer. »Da ich auch Frohinia kenne, glaube ich Euch mit Leichtigkeit, aber was meint Ihr, wie lange Ihr diesen Trug aufrechterhalten könnt?
Weitere Kostenlose Bücher