Dämliche Dämonen - Demonkeeper
ich in den letzten vierundzwanzig Stunden alles gesehen habe, is mir einfach zu hoch.«
»Wenn ich es dir verrate«, sagte Nate mit entrückter, geheimnisvoller Stimme, »wird die Welt für dich nie mehr dieselbe sein.« Er zog Richie mit dem Daumen ein Augenlid hoch wie ein Arzt und sah ihn scharf an. »Möchtest du es wirklich wissen?«
»Keine Ahnung, Mann. Jetzt jagst du mir aber echt Angst ein.«
Nate ließ Richie los, räusperte sich und sagte mit tiefer Stimme: »Hör mir gut zu. Und ich verrate es dir bloß aufgrund deiner Wahrnehmungsfähigkeit. Ich bin Nathan Grimlock! Ich sehe Dinge, die für andere unsichtbar sind, und man hat mir beigebracht, das Chaos zu bändigen.«
Nate ließ seine Worte einen Augenblick wirken, dann packte er Richie bei den Schultern und zog ihn wieder zu sich heran. »Menschen brauchen Ordnung. Die Geschöpfe, die du gesehen hast, leben, um diese Ordnung durcheinanderzubringen. Und ich stehe in der Mitte, als Dompteur des Übernatürlichen, verstehst du? Ich bin nämlich der Hüter der Dämonen!«
Nate ließ Richie los, zufrieden mit dem Eindruck, den er offensichtlich erzeugt hatte. »Noch irgendwelche Fragen?«
Richie starrte vor sich hin und überlegte. Schließlich blickte er auf. »Du bist also ein Dämonenhüter?«
Nate nickte. »Ja, das bin ich.«
»Du passt auf diese Viecher auf?«
»Ja.«
»Und als mein Kumpel gestern Abend von einem dieser Biester aufgefressen wurde...«
Nate runzelte die Stirn.
»... wo warst du da?«
Nate wich seinem Blick aus. Die Festigkeit in seiner Stimme war verschwunden. »Lass uns gehen.«
33. Kapitel
Unverhoffte Vorspeise
D as TIER kam aus dem Schatten geschlichen und schnüffelte an einem dampfenden Rost. Das Metall verströmte den Geruch des Jungen. Der Duft war ganz frisch. Aufgeregt verfolgte das TIER die Spur über den Asphalt und näherte sich dem Markt am Pike Place.
Es verließ die enge Gasse und hielt in der Menschenmenge Ausschau nach seiner Beute. Dabei machte es sich nicht die Mühe, möglichst unauffällig vorzugehen, denn für die Blicke der meisten Leute war es ohnehin unsichtbar. Und den wenigen, die seinen bulligen Leib sehen oder zumindest seine Gegenwart spüren konnten, ging es für gewöhnlich aus dem Weg oder fraß sie, wenn nötig, auf.
In der Nähe verscheuchte ein Krämer eine streunende Katze von seinem Obststand. Wütend schüttelte er die Faust. »Verschwinde, du Mistvieh!« Das Kätzchen flüchtete in eine Seitenstraße.
Das Ungeheuer hob den Kopf. Zwischen seinen scharfen Zähnen quoll der Geifer hervor. Jeden Augenblick konnte es den Jungen aufgespürt haben, aber die kleine Katze war so nah und die Aussicht auf einen kleinen Appetithappen zu verlockend. Außerdem hatte es schon seit Stunden nichts mehr gefressen. Die Witterung des Jungen würde es später wieder aufnehmen. Es leckte sich die schwarzen Lefzen und folgte der Fährte des Kätzchens.
34. Kapitel
Am Pike Place Market
N ate beeilte sich, den Marktplatz zu erreichen, dicht gefolgt von Richie.
»Wo gehen wir eigentlich hin?«, fragte der junge Streuner.
»Das wirst du sehen, wenn wir da sind«, entgegnete Nate.
»Und warum rennst du so? Hier sind doch überall Leute. Ich denke nich...«
Nate wirbelte zu Richie herum. »Genau, du denkst nicht!«, fuhr er ihn an. »Dieses Ungeheuer könnte unbemerkt an all den Leuten vorbeimarschieren und dir so schnell den Kopf abreißen, dass du nicht mal mehr Zeit zum Schreien hättest.«
»Und wieso kannst du es dann sehen?«
»Hab ich dir doch gesagt. Ich sehe Dinge, die andere nicht wahrnehmen können.«
Verdrossen äffte Richie ihn nach. »›Ich sehe Dinge, die andere nich wahrnehmen können‹... Das is doch keine Antwort.«
»Hör zu, ich habe die Dämonen zum ersten Mal gesehen, als ich in der sechsten Klasse war, kurz nachdem meine Eltern ertrunken sind. Aber niemand hat mir die Geschichte abgenommen. Dann ist ein seltsamer alter Inder aufgetaucht. Er hat mir geglaubt und mir ein Zuhause gegeben. Er hat mich gerettet und darauf trainiert, alle möglichen Dämonen wahrzunehmen.«
»Bei dir zu Hause habe ich auch welche gesehen.«
»Das kann jeder, weil sie sich dort nicht tarnen. Das bedeutet gar nichts.«
»Ach, so kompliziert isses doch gar nich«, widersprach Richie. »Man sieht einfach hin, und sie sind da, so wie die drei Winzlinge, die du vorhin in die Tasche gesteckt hast.«
»Das waren meine persönlichen Gehilfen«, empörte sich Nate. »Hör mal, vielleicht besitzt du
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