Dämmerschlaf - Roman
bevor sie nach Delos gezogen waren – sah sie säen, Kartoffeln ausbuddeln, Hühner füttern; sah sie kneten, backen, kochen, waschen, flicken und den noch nicht fertig zugerittenen Junghengst einfangen und anschirren, um zwölf Meilen durch den Schnee zum Arzt zu fahren, als eines Tages die Männer unterwegs waren und seine kleine Schwester sich so schrecklich verbrüht e … Und nun saß die alte Dame noch immer in ihrem hübschen kleinen Backsteinhaus in Delos, gesund und munter trotz ihres Alters, und würde sie alle überleben. War nicht vielleicht das die Art von Leben, für die auch Manford geschaffen war? Landwirtschaft im großen Stil betreiben, mit den modernen Maschinen, die seine Vorfahren noch nicht besessen hatten, alle anderen im Bezirk überflügeln, die Waren in großen Handelszentren verkaufen und eine Rolle in der Staatspolitik spielen wie sein älterer Bruder? Hirn und Muskeln benutzen, den ganzen Körper und die ganze Seele, wirkliche Dinge tun, wirkliche Erfolge in der Öffentlichkeit erringen statt sich diesen künstlichen Aktivitäten hinzugeben, diesem immer schnelleren Kreiseln im leeren Raum, diesem ewigen Ausruhen und Zum-Arzt-Gehen, um Anstrengungen zu kompensieren, die zu nichts führten, zu nichts, nichts, nichts…
«Natürlich wissen wir, dass Sie uns etwas verraten könnten, wenn Sie denn wollten. Jedermann weiß, dass die Lindons Sie um Rat ersucht haben.» Aus Mrs Toys großen, seichten Augen schwamm die Frage auf einer meeresblauen Woge aus Neugier zu ihm herüber. «Kein wahres Wort? Oh, natürlich, was sollen Sie auch sonst sagen! Aber jeder rechnet damit, dass es bald Ärger gibt.»
Und ein Flüstern vonseiten der Marchesa: «Belästigt sie Sie etwa wegen dieses mysteriösen Mahatma? Diese Närrin! Solange die liebe Pauline an ihn glaubt, bin ich beruhigt. Wie ich schon vor dem Essen zu Pauline gesagt habe: ‹Was Sie und Dexter gutheißen, heiße ich ebenfalls gut.› Deshalb möchte ich auch unbedingt meinen armen Jungen nach New York kommen lassen, meinen Michelangelo! Wenn Sie ihn nur sehen könnten – Sie würden ihn bestimmt genauso ins Herz schließen wie unseren lieben Jim, würden ihn vielleicht sogar in Ihre Kanzlei aufnehme n … Ach, lieber Dexter, das war immer mein Traum!»
Was für ein Leben, wenn nicht dieses? Denn natürlich war der Traum von einer Farm im Westen Blödsinn. Was er sich wirklich wünschte, war ein Leben, in dem sich ein so einflussreicher und fesselnder Beruf wie der seine irgendwie in Einklang bringen ließ mit langen Perioden ländlicher Ruhe, mit Büchern, Pferden und Kindern – ach, Kinder! Eigene Söhne, die er mit dem Leben auf dem Land vertraut machte, die er auf lange Wanderungen mitnahm, denen er Wissenswertes über Bäume, Pflanzen und Vögel beibrachte, mit denen er Eichhörnchen beobachtete und im Winter Rotkehlchen und Drosseln fütterte. Im Dunkeln käme er dann heim ans Kaminfeuer, zu Lampenlicht und einem Teetisch, der sich unter Köstlichkeiten bog und um den sich hungrig und aufgedreht von dem langen Ausflug seine Mädchen und Jungen scharten (auch Mädchen, noch mehr kleine Nonas) – und zu einer Frau, die ruhig von ihrem Buch aufblickte, einer Frau, die viel zu jung aussah, um die Mutter dieser Kinder zu sein, viel zu jun g …
«Sie schauen zu Jims Frau hinüber?», unterbrach ihn die Marchesa. «Kein Wunder! Très en beauté , 31 unsere Lita! Dieses Kleid, genau derselbe Farbton wie das Haar, und diese indischen Smaragd e … wie raffiniert! Aber eine etwas schwierige Gesprächspartnerin, nicht wahr? Ein bisschen zu schweigsam? Nein? Nun, bei Ihnen vielleicht nicht, bei ihrem lieben Vater! Schwiegervater, meine ic h …»
Schweigsam! Das Wort ließ seine Gedanken wieder abschweifen. Denn in dieser anderen Welt voll lautem Kindergelächter, Kindergezanke und dem gesunden Gepoltere und Gelärme einer großen Familie auf dem Land gab es irgendwo verborgen in der Erde ein riesiges Reservoir der Stille, ein Bassin, in das man immer abtauchen und seine Seele in Frieden baden konnte. Das Traumbild war undeutlich und widersprüchlich, doch alles schien in den Augen dieser Frau aufzugehen und zu verschmelze n …
Pauline gab ihm von ihrem Tischende ein Zeichen. Er stand auf und bot der Marchesa den Arm.
Draußen in der Halle hörte man schon die Klänge des berühmten Somaliland-Orchesters aus dem Ballsaal die Treppe herunterrumpeln und -poltern. Die Damen, angeführt von Mrs Toy, strömten zu dem verspiegelten Lift, den
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