Dämmerschlaf - Roman
man mit Treibhausflieder und japanischen Kirschblüten den Blicken der Gäste entzogen hatte, nur Amalasuntha an Manfords Arm setzte einen schlichten schwarzen Schuh auf die Marmorstufen. «Ich bin an römische Paläste gewöhnt!»
7
«Wenigstens eine kleine Runde?», fragte Heuston, und Nona gab nach und gesellte sich zu den Tänzern, die mit langsamen Schritten über das glänzende Parkett schwebten.
Tanzen hatte keine besondere Bedeutung, es war wie Atmen, was blieb zu tun, wenn man nicht tanzte? Sie konnte schlecht ablehnen, ohne seltsam zu wirken; es war einfacher, einzuwilligen und sich zwischen den Paaren zu verlieren, die dasselbe komplizierte Ritual befolgten.
Die Tanzfläche war voll, aber nicht überfüllt, dafür hatte Pauline schon gesorgt. Das ließ sich leicht im Voraus berechnen, denn keiner der Geladenen sagte je ab, und wenn sie mit Maisie Bruss die Liste zusammenstellte, maß sie jedem Paar die nötige Fläche zu, so sorgfältig, als kalkulierte sie den Platzbedarf in einem Krankenhaus. Auch die Belüftung war perfekt, weder zog es, noch war es stickig. Man hatte immer das Gefühl, im Freien unter einem lauen südlichen Himmel zu tanzen.
Nona, die wusste, was es gekostet hatte, diese Illusion zu erzeugen, bewunderte ihre unermüdliche Mutter einmal mehr. «Ist sie nicht wunderbar?»
Mrs Manford stand aufrecht an der Tür, ausgeruht, einen matt schimmernden Diamantreif im Haar, den schlanken Fuß in Richtung Tanzfläche vorgestreckt.
«Jeden einzelnen Tag, das ganze Jahr über! Ah, sie tanzt. Mit Cosby.»
«Ja. Mir wäre es lieber, wenn sie es nicht täte.»
«Nicht mit Cosby?»
«Du liebe Zeit, nein. Überhaupt nicht.»
Nona und Heuston hatten sich hingesetzt und schauten aus ihrer Ecke zu, wie die sich drehenden Füße ein trügerisches Muster webten.
«Aha. Du glaubst, sie tanzt in einer bestimmten Absicht?»
Das Mädchen lächelte. «Sie will furchtbar gut sein – wie bei allem, was sie tut. Aber sie tanzt, als handelte es sich dabei um irgendetwas zwischen einem Kirchenbesuch und dem Training einer Pfadfindergruppe. Mutter ist z u … zu anständig zum Tanzen.»
«Tja, das hier ist etwas anderes», murmelte Heuston.
Die Tanzfläche hatte sich wie durch Zauberhand rings um ein hochgewachsenes, schlankes Paar geleert: Lita Wyant und Tommy Ardwin. Der Innenarchitekt, groß und geschmeidig, hatte die typische Silhouette eines Tänzers, war aber auch nicht mehr als eine Silhouette, ein Schatten an der Wand. Alles Licht und alle Musik im Raum waren in das fast durchsichtige Geschöpf in seinen Armen geflossen. Ardwin wirkte auf Nona wie jemand, der in einen Frühlingswald gegangen und mit einem langen Zweig voll silberner Blüten in der Hand zurückgekehrt war.
«Meine Güte! Quelle plastique! 32 », flötete die Marchesa über Nonas Schulter.
Die beiden hatten das Parkett für sich allein, alle anderen hatten aufgehört zu tanzen. Aber Lita und ihr Partner schienen sich dessen nicht bewusst zu sein. Sie war einzig dazu da, strahlenden Glanz zu verbreiten, und er nur dazu, sich ihr anzupassen. Ihr Gesicht war eine zarte, stille Blume auf einem schwankenden Stiel, aller Ausdruck lag in ihrem Körper, in diesem langen Legato , gleich wogendem, von einem Windhauch bewegtem Gras oder kleinen, ans Ufer schlagenden Wellen.
«Schau dir Jim an», sagte Heuston lachend. Von einer der Türen aus sog Jim Wyant das Bild gierig in sich auf. «Wahrhaftig», schienen seine Augen triumphierend auszudrücken, «das entschädigt für das ‹Cubist Cabaret› und all ihre anderen verrückten Launen.»
Lita schwebte an ihm vorbei, schenkte ihm ein Lächeln und glitt weiter auf den schimmernden Wellen ihrer Schönheit.
Plötzlich brach die Musik ab. Nona blickte durch den Saal und sah, wie sich Mrs Manford vom Musikerpodest entfernte. Der Dirigent hatte sich herabgebeugt, um mit ihr zu sprechen.
Es entstand eine kurze Pause, dann stimmte das Orchester einen Foxtrott an, und die Tanzfläche füllte sich wieder. Mrs Manford rauschte mit einem starren Lächeln vorbei – «das Lächeln, das sie immer zusammen mit ihrem Diadem aufsetzt», dachte Nona. Ja, vielleicht war es tatsächlich ungehörig von Lita, beim Ball ihrer Schwiegermutter die Tanzfläche für sich allein zu beanspruchen, aber war es der Fehler des armen Mädchens, dass alle anderen aufhörten, um ihr zuzuschauen, wenn sie doch so gut tanzte?
Ardwin trat zu Nona.
«O nein», protestierte Heuston flüsternd. «Ich wollt e …»
«Aggie
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