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Dämmerschlaf - Roman

Dämmerschlaf - Roman

Titel: Dämmerschlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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winkt dir.» Der Arm des Mädchens lag bereits auf Ardwins Schultern. Während sie sich immer weiter in den Saal hinein drehten, sagte Nona: «Sie haben Litas Tanzen wunderbar zur Geltung gebracht.»
    Mit seiner hohen, selbstsicheren Stimme erwiderte er: «Oh, man muss ihr nur ihren Willen lassen und darf sich nicht einmischen. Jeder von uns beiden hat seine eigene Art, sich auszudrücken, es wäre dumm, da etwas zu vermengen. Wenn ich sie nur so weit brächte, ein einziges Mal für Serge Klawhammer zu tanzen; der sucht den ganzen Erdball nach einer Frau ab, die in Hollywood die neue Herodias 33 spielen kann. Die Leute haben den Odaliskenstil 34 satt, und mit meiner Hilfe könnte Lita etwas Neues entwickeln. Sie hat so gut wie zugesagt, heute nach dem Mitternachtsimbiss zu mir zu kommen und mit Klawhammer zu sprechen. Nur sechs oder sieben von den Eingeweihten – sind Sie dabei? Er saust schon morgen nach Hollywood zurück.»
    «Will Lita wirklich kommen?»
    «Nun, sie sagte erst Ja, dann Nein und schließlich wieder Ja.»
    «Also gut.» Nona konnte Ardwin nicht ausstehen, seine Glätte, Geschmeidigkeit und Selbstsicherheit, den Kreis, in dem er das Sagen hatte, die Moden, die er diktierte, die Grundsätze, die er vertrat; sie hasste all das so inbrünstig und bedingungslos, dass sie glaubte, nun endlich des Rätsels Lösung gefunden zu haben. Das war es, natürlich! Ardwin und sein Kreis versuchten Lita zu überreden, zum Film zu gehen; das erklärte ihre Ruhelosigkeit und Reizbarkeit, die wachsende Abscheu gegen ihr eintöniges Leben. Nona atmete erleichtert auf. Wenn es nur das war!
    Als der Tanz vorüber war, befreite sie sich und schlüpfte auf der Suche nach Jim durch das Gedränge. Sollte sie ihn bitten, sie zu Ardwin zu begleiten? Nein, sie würde einfach erklären, sie und Lita machten noch eine letzte Spritztour ins Atelier des Innenarchitekten, wo mehr Platz und weniger Tumult sei als bei Pauline. Jim würde lachen und einverstanden sein, vorausgesetzt, sie und Lita blieben zusammen. Unnötig, Klawhammer und seine idiotische «Herodias» zu erwähnen.
    «Jim? Aber, Liebes, Jim ist schon lange heimgegangen. Ich werfe es dem armen Jungen nicht vor», seufzte Mrs Manford, der ihre Tochter aufgelauert hatte, «er muss ja so früh schon wieder im Büro sein, und es ist bestimmt furchtbar langweilig, die ganze Nacht herumzustehen und nicht zu tanzen. Aber, Liebchen, jetzt hilf du mir bitte, deinen Vater zu finden. Der Nachtimbiss steht bereit, und ich kann mir nicht vorstelle n …»
    Das Frettchengesicht der Marchesa schob sich zwischen die beiden, als sie an Mr Toys kräftigem Arm vorbeitrabte.
    «Der liebe Dexter? Ich habe ihn vor knapp fünf Minuten gesehen, wie er diese wunderbare Lita zur Tür bracht e …»
    «Lita? Lita ist auch schon weg?» Nona beobachtete das Ringen der disziplinierten Gesichtszüge ihrer Mutter mit ihren zuckenden Nerven. «Was habe ich nur für unmögliche Kinder!» Ein Lächeln siegte über ihre Verlegenheit. «Es ist doch hoffentlich nichts mit dem Kleinen? Nona, lauf schnell hinunter und sag Vater, er soll heraufkommen. Oh, Stanley, mein Lieber, anscheinend haben mich alle meine Männer im Stich gelassen. Bitte, suche nach Mrs Toy und führe sie zu Tisc h …»
    In der Halle unten war kein Dexter. Nona blickte sich suchend nach Powder um, dem blassen, gottergebenen Chefbutler, der Mrs Manford durch alle Wechselfälle und Triumphe ihres Lebens gefolgt war und sich scheinbar um nichts anderes kümmerte als um sein Silber und die Disziplin der Diener. Powder wusste alles und hatte auf alles eine Antwort, aber gerade jetzt befehligte er ein gewaltiges Unternehmen, nämlich auf fünfundachtzig kleinen Tischen gleichzeitig Schildkrötensuppe und Champagner erscheinen zu lassen, und war in der Halle nicht zu finden. Nona ließ den Blick über die Reihe von Dienern hinter den aufgehäuften Pelzmänteln schweifen, entdeckte einen, der zum Haus gehörte, und erfuhr, dass Mr Manford vor ein paar Minuten gegangen sei. Sein Wagen habe auf ihn gewartet, und jetzt sei er fort. Mrs James Wyant sei mit ihm gefahren, berichtete der Mann. «Natürlich, er hat sie zu Ardwin gebracht. Armer Vater! Nach einem Abend mit Mrs Toy und Amalasuntha, wen wundert’s? Wenn Mutter nur begriffe, wie ihn ihre gigantischen Dinner langweilen!» Aber das würde Nonas Mutter nie begreifen.
    «Es ist nur mein unerschütterlicher Glaube an mein eigenes Genie – sonst nichts», verkündete Ardwin mit seiner nervösen

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