Dämmerschlaf - Roman
Kind werfen wollte. Er liebte kleine Kinder in ihren Bettchen, und Jims pummeligen Frechdachs liebte er ganz besonders. Außer Nona hatte er niemanden so gern wie Jim, und wenn er Jim so ansah, glücklich verheiratet, tüchtig in seiner Arbeit und Vater dieses drolligen kleinen Kerls oben im Kinderzimmer, regte sich in dem Älteren das bekannte Bedauern, dass er keinen Sohn hatte.
Jim kam selten früh genug heim, um bei diesen Besuchen dabei zu sein, und anfangs war auch Lita meist außer Haus. Doch in den letzten Monaten hatte Manford sie öfter daheim angetroffen – oder sich vielmehr angewöhnt, eine Weile mit einer Zigarette in ihrem Boudoir herumzulungern, sodass er auch sie noch einen Moment sah, bevor er in jenes andere Haus ging, wo alle Uhren gleichzeitig schlugen und die von Maisie Bruss handgeschriebenen Termine der Woche ihn ansprangen, sobald er sein Arbeitszimmer betrat.
Heute Abend war er müder als sonst. Er war alles müde – seinen Tag, seine Arbeit, sein Leben, sich selbst – o ja, vor allem sich selbst. So müde, dass er unter tatkräftiger Hilfe des tiefen Sessels in einen Halbschlaf versank, in dem die Stille ringsum anstieg wie eine Flut.
Er erwachte jäh, bildete sich ein, Lita sei hereingekommen, und empfand die Verlegenheit des älteren Mannes, der von einem schönen Mädchen bei einem Nickerchen ertappt wir d … Aber das Zimmer war leer; nur er selbst hatte mit einer Bewegung Miss Vollards Zeitschrift zu Boden gestoßen. Ihm fiel ein, dass er sie mitgebracht hatte, um Lita die Fotos von Cedarledge zu zeigen, die vermutlich darin abgedruckt waren. Blieb dazu Zeit genug? Er sah auf seine Uhr – in diesem Haus ein Anachronismus –, zündete sich noch eine Zigarette an und lehnte sich zufrieden zurück. Sobald er heimkam, würde Pauline, die nachmittags schon wieder wegen des Mahatma angerufen hatte, ihn in die Enge treiben und ihm erneut dieses lästige Thema auftischen, zusammen mit einem anderen, wie zu befürchten stand fast ebenso unangenehmen, dass man nämlich die Schulden dieses elenden Michelangelo bezahlen müsse. «Wenn wir nicht zahlen, haben wir ihn hier auf dem Hals; Amalasuntha ist überzeugt, dass du ihn in die Kanzlei aufnimmst. Komm lieber rechtzeitig heim, damit wir alles besprechen könne n …» Immer besprechen, sich einmischen, regeln! Das tat er schon beruflich genug. Schade, dass Pauline keine Rechtsanwältin war, da hätte sie in den Bürostunden Dampf ablassen können. Er würde friedlich sitzen bleiben, wo er war, und es so einrichten, dass er gerade noch rechtzeitig zu Hause eintraf, um sich umzuziehen und zu ihr ins Auto zu steigen. Sie speisten außer Haus, er hatte vergessen, wo.
Einen Moment lang stand ihm die Gestalt seiner Frau deutlich und plastisch vor Augen, wie eine Fotografie in einem stereoskopischen Projektionsapparat, dann verschwand sie im Nebel seines Wohlgefühls, in der Trägheit, die das einsame, ungestörte Warten auf Lita hervorrief. Ein seltsames Geschöpf, diese Lita! Sein Mund verzog sich zu einem erinnerungsschweren Lächeln. Eines Tages war sie lautlos hinter ihn getreten und hatte ihn mit einem leichten Kuss aufs Haar überrascht. Er hatte gedacht, es sei Non a … Seither hatte er manchmal getan, als schlafe er, während er wartete, aber sie hatte ihn nie wieder geküss t …
Er fragte sich, was für ein Leben sie wohl wirklich führte. Und was machte sie sich noch aus Jim, jetzt, wo der Reiz des Neuen vorbei war? Er kannte keine zwei Menschen, die weniger füreinander geschaffen schienen. Aber bei Frauen wusste man ja ni e … Jim war jung und liebte sie abgöttisch, und da war noch dieses rothaarige Kerlche n …
Zum Glück konnte Lita Nona gut leiden, die beiden steckten ziemlich oft zusammen. Nona war absolut zuverlässig und immer lustig und fidel. Solange sie bei ihr war, stellte Lita bestimmt nichts an. Aber da gab es noch diese anderen Stunden, Zeitspannen, über die Manford nicht Bescheid wusste, und Pauline sagte immer, das Mädchen sei sehr merkwürdig erzogen worden – kein Wunder, wenn es an der Seite von Mrs Percy Landish aufgewachsen war. Aus ebendiesem Grund hatte sich Pauline gegen die Heirat gesträubt; allerdings hatte sie mit der für eine moderne Mutter typischen Rücksicht auf die Unabhängigkeit der Kinder ihre Einwände auf bloße vage Andeutungen reduziert, die Jim in seiner Verzückung nicht beachtete.
Anfangs konnte auch Manford das Mädchen nicht leiden und missbilligte Jims Wahl. Er fand Lita
Weitere Kostenlose Bücher