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Dämmerschlaf - Roman

Dämmerschlaf - Roman

Titel: Dämmerschlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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keinen anderen Weg gibt.»
    Sie drehte den Schlüssel um, und die schwere Haustür schwang nach innen auf. «Glaub nicht, dass ich dich jemals heirate, wenn du das tust!», rief sie, als sie über die Schwelle trat, und er gab wütend zurück: «Warte, bis ich dich darum bitte!», und verschwand im Regen.
    14
    Pauline Manford verließ das Haus von Mrs Landish mit dem unguten Gefühl, sich schon wieder eine dieser «Frustrationen» aufgehalst zu haben. Die ließen sich in ihrem arbeitsreichen Leben ebenso schwer vermeiden wie Bazillen – und man hatte nicht immer die Zeit, sie sich entfernen zu lassen.
    Manford hatte offensichtlich von Litas häufigen Aufenthalten in Dawnside erfahren, zweifelsohne auf dem gleichen Weg wie Pauline, nämlich durch das Foto von dieser abscheulichen Tanzgruppe im «Looker-on». Nun ja, vielleicht war es besser so; das würde ihn in seinem Entschluss bestärken, Klagen gegen den Mahatma zu unterbinden.
    Nur – wenn er die Lindons überredet hatte, die Nachforschungen einzustellen, warum beschäftigte ihn das Thema dann noch? Warum ging er zu Mrs Landish und zog so ausführliche Erkundigungen über Lita ein? Am liebsten hätte Pauline die Erinnerung an seine Stimme und die kaum verhohlene Ungeduld, mit der er auf ihr Verschwinden gewartet hatte, bevor er seine Frage stellte, abgeschüttelt. Angesichts dieses neuen Rätsels (wo sie doch noch so viele andere zu lösen hatte) verspürte sie eine grundlose Wut auf die kaputte Türklinke, die ihr das Geheimnis enthüllt hatte. Statt von mesopotamischen Stickereien zu träumen, sollte Kitty Landish lieber einen Schlosser holen und ihr Haus reparieren lassen!
    Den ganzen Tag quälte Pauline die Befürchtung, Manford könne seine Absicht, die Nachforschungen einzustellen, geändert haben. Wenn sie Zeit gehabt hätte, wäre sie zu Alvah Loft gegangen, um Erleichterung zu finden; sie hatte bisher täglich eine Séance einschieben können und war mittlerweile davon abhängig wie eine Morphinistin von ihrer Droge. Nach dem Wortschwall und den leeren Schmeicheleien seiner Vorgänger wirkten schon die Kürze der Behandlung, das stumpfe, nichtssagende Gesicht und die gleichgültige Einsilbigkeit des Heilers auf raffinierte Weise stimulierend. Solch ein streng haushälterischer Einsatz der Mittel beeindruckte Pauline genauso wie ein neues Arbeit sparendes Gerät; sie hatte eine Schwäche für jede Art von Abkürzung, und es gefiel ihr, dass selbst spiritueller Austausch gewissermaßen wie bessere Stenografie funktionierte. Wie Mrs Swoffer ganz richtig sagte: Alvah Loft war der Heiland der Vielbeschäftigten.
    Aber heute Nachmittag war nun wirklich keine Zeit für eine Behandlung. Manfords Entscheidung, die Osterferien in Cedarledge zu verbringen, machten die intensive Vorbereitung eines Schlachtplans nötig, wie ihn seine Frau und Maisie Bruss so unübertrefflich zu erstellen verstanden. Zum einfachen Landleben in Cedarledge gehörte nämlich auch, dass man mindestens zehn Tage im Voraus einen Teil des New Yorker Personals aussenden musste, um drei komplizierte Heizsysteme zu überprüfen und in Betrieb zu nehmen, sämtliche Klingeln und elektrischen Leitungen zu kontrollieren und sich zu überzeugen, dass die ausgeklügelten Sanitäreinrichtungen alle tadellos funktionierten.
    Und das war noch nicht alles. Pauline, die sich auf die bis ins Detail perfekte Organisation ihrer beiden Haushalte einiges einbildete, hatte vor Kurzem den Kostenvoranschlag für eine neue, außergewöhnlich umfassende Alarmanlage in Cedarledge studiert und die Rechnungen für die malerische Feuerwache und die hochmoderne Feuerspritze überprüft, die sie erst jüngst dem Dorf gestiftet hatte, das sich altehrwürdig am Fuß des Hügels von Cedarledge zusammendrängte. All das erforderte gründliches Nachdenken und rasche Entscheidungen, und diese Tatsache spornte sie plötzlich an. Keine Ruhekur auf Erden wirkte auf sie so belebend wie ein überstürzter Appell an ihre praktische Tatkraft; sie wurde davon gepackt wie ein Kavalleriepferd vom Hornsignal und zwang die erschöpfte Maisie, sich ebenso packen zu lassen.
    Im vorliegenden Fall war sie doppelt beflügelt, weil sie hoffte, dass Manford, wenn ihm in Cedarledge alles zusagte, Lust verspüren könnte, dort mehr Zeit zu verbringen. Paulines leidenschaftliche Begeisterung für sanitäre Einrichtungen und elektrische Leitungen wurde zudem romantisch-glutvoll von dem Gedanken überhaucht, beides könnte als Köder dienen und

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