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Dämmerschlaf - Roman

Dämmerschlaf - Roman

Titel: Dämmerschlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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ihren Mann in die häusliche Intimität zurücklocken. «Die Heizung in dem neuen Schwimmbecken muss fertig und jeder Handwerker verschwunden sein – nächste Woche müssen Sie hinfahren, Maisie, und allen einschärfen, dass kein Handwerker mehr zu sehen sein darf, wenn wir ankommen.»
    Atemlos und frohlockend eilte Pauline heim zu einer späten Tasse Tee in ihrem Boudoir und machte sich mit dem Stift in der Hand an die Pläne und Kostenvoranschläge, nicht minder eifrig als ihr Mann in den Anfangstagen seiner Juristenkarriere, wenn er die Unterlagen eines neuen Falls studierte.
    Maisie, die wie immer auf den leisesten Sporeneinsatz reagierte, hob dennoch verwirrt eine Braue und murmelte: «In Ordnung. Aber ich glaube nicht, dass ich vor dem Geburtenregelungsbankett fahren kann. Sie haben ja die Anfangssätze noch nicht umgeschrieben, die Sie irrtümlich bei m …»
    Paulines Gesicht verfärbte sich. Maisies Bemerkung war taktlos, aber die Tatsache blieb bestehen, dass die Einleitung dieser unseligen Rede umgeschrieben werden musste und Pauline sich ihres Satzbaus nicht sicher war, solange Maisie ihn nicht beglaubigt hatte. Sie hatte immer gebildet sein wollen, und wenn sie sich ihre Bücherregale ansah, hielt sie sich auch dafür. Musste sie allerdings eine Rede verfassen, fehlten ihr zwar nie die Worte, manchmal aber die Regeln für deren geheimnisvolle Zusammenhänge. Reichtum und ein reges gesellschaftliches Leben waren offensichtlich unvereinbar mit grammatikalischer Souveränität, und für solche Notfälle gab es Sekretärinnen. Ja, Maisie mochte noch so erschöpft wirken, sie war unentbehrlich, solange die Rede nicht umgeschrieben war.
    Das Telefon klingelte, und von unten verlautete, dass die Marchesa auf dem Weg in das Boudoir sei. Pauline fiel der Stift aus der Hand. Auf dem Weg! Das war wirklich gar zu rücksichtslo s … Man musste Amalasuntha begreiflich mache n … Aber da stand die unerschrockene Dame schon vor ihr.
    «Der Butler hat geschworen, du seist ausgegangen, meine Liebe, aber an seinem Verhalten habe ich erkannt, dass ich dich antreffen würde. (Freilich, bei Powder weiß ich ni e …) Und ich musste einfach kurz hereinflitzen, um dich fest zu umarmen.» Die Marchesa warf Maisie einen Blick zu, und die Sekretärin verzog sich, nachdem sie ein weiterer Blick, diesmal vonseiten ihrer Brotherrin, unmissverständlich aufgefordert hatte: «Warten Sie im Nebenzimmer, ich möchte nicht, dass sie bleibt.»
    An ihre Besucherin gewandt murmelte Pauline etwas kühl: «Ich habe ausrichten lassen, dass ich außer Haus sei, weil ich mit den neuen Sanitäreinrichtungen und der Alarmanlage in Cedarledge furchtbar viel zu tun habe. Dexter möchte an Ostern hinfahren, und natürlich muss alles in Ordnung sein, bevor wir eintreffe n …»
    Die Marchesa riss die Augen auf. «Aah, diese wunderbaren amerikanischen Sanitäranlagen! Ich glaube, ihr leistet euch jedes Jahr neue Badezimmer. In San Fedele gibt es nur eine einzige Badewanne, und meine lieben Schwiegereltern haben sie mit einem Holzdeckel versehen, damit man die Stiefel darauf abstellen kann. Das ist wirklich sehr praktisch – und aus Pietät hat Venturino diese Nutzung immer beibehalten. Aber ich bin nicht gekommen, um darüber zu reden. Ich suche vielmehr nach Worten für meine Dankbarkei t …»
    Pauline lehnte sich zurück und starrte müde in Amalasunthas kleines, spitzes Gesicht, auf dem ein neuer, geheimnisvoller Firnis aus Wohlstand zu glitzern schien. «Wofür? Du hast mir bereits mehr gedankt, als es mein kleines Geschenk verdient.»
    Die Marchesa sah sie verwirrt an; sie erinnerte sich nicht gleich. «Oh, der hübsche Scheck neulich? Natürlich schließt mein Dank auch den ein. Aber ich bin ganz überwältigt von dieser neuen Großzügigkeit.»
    «Neue Großzügigkeit?», echote Pauline zwischen schmalen Lippen. War dies etwa das schlaue Vorwort zu weiterem Gebettel? Angesichts der vor ihr ausgebreiteten enormen Kostenvoranschläge für Cedarledge rüstete sie sich innerlich, bereit, alles abzulehnen. Amalasuntha musste wirklich lernen, sich zu mäßigen.
    «Nun ja, Dexters Großzügigkeit, seine fürstliche Zusage! Ich war bis vor einer Stunde bei ihm», rief die Marchesa immer enthusiasmierter.
    «Du meinst, er hat eine Arbeit für Michelangelo gefunden? Das freut mich sehr», sagte Pauline, wenn auch ohne Begeisterung.
    «Nein, nein, etwas noch viel Besseres! Zumindest etwas», korrigierte sich die Marchesa hastig, «was ihm unmittelbarer

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