Dämmerschlaf - Roman
ihn überall auf den Filmplakaten zu sehe n … Und vielleicht kann er uns das Geld auf diese Weise zurückzahlen – nach normalen Anstandsbegriffen müsste er das!»
Sie fand nun, wo sie die sorgfältig gehegte Wyant’sche Sicht der Dinge einmal aufgegeben hatte, keine ernsthaften Gründe mehr für einen Protest. «Wenn es nur Lita nicht wieder aufregt und aus der Ruhe bringt!» Doch schließlich konnte sie nicht hoffen, Litas gesammelte Freunde und Verwandte von der Leinwand fernzuhalten.
«Arthur war verblüfft, aber nachdem er erst ein wenig zusammengezuckt ist, hat er sich ungeheuer gefreut. Du weißt ja, der liebe Arthur zuckt anfangs immer zusammen», fuhr die Marchesa mit einem schlauen, geringschätzigen Lächeln fort, das anzudeuten schien, sie, Pauline, werde natürlich nicht zusammenzucken. (Seltsam, dachte Pauline, wenn die Marchesa über Geschäftliches redete, sah sie wie ein Bäuerlein aus.)
«Arthur? Du hast es ihm schon geschrieben?»
«Du liebe Zeit, nein. Er ist mir gestern in der Stadt über den Weg gelaufen. Du weißt noch gar nicht, dass Arthur zurück ist? Ich meinte, er hätte mit Nona oder irgendwem telefoniert. Ein leichter Gichtanfall – er wurde nervös, weil er nicht zu seinem Arzt konnte. Aber er wirkte bemerkenswert gesund, fand ich – immer noch gut aussehend, élanc é 55 wie alle Wyants, nur vielleicht ein wenig zu rot im Gesich t … J a … die arme Eleano r … O nein, Jim ist noch auf der Insel, sagt er. Vollauf zufrieden, solange er nur fischen kann. Jim ist der einzige Mensch, den ich kenne, der stets mit allem zufrieden is t … vorbildlic h …» Im Seufzen der Marchesa schien nachzuklingen: «Sehr gemütlich – aber wenn mein Michelangelo so wäre, würde ich ihn verachten!»
Pauline konnte förmlich hören – nur zu deutlich! –, wie sich ihr früherer Mann zu Michelangelos Plänen äußern würde. Sie würden ironischen Gesprächsstoff für einen ganzen Nachmittag liefern. Aber das beunruhigte sie nicht allzu sehr, ebenso wenig wie Wyants unerwartete Rückkehr. Er fühlte sich immer unwohl, wenn sein Arzt nicht in Reichweite war. Und die Tatsache, dass Jim nicht mitgekommen war, bewies, dass es sich um nichts Ernsthaftes handelte. Pauline dachte: «Ich werde Jim noch einmal schreiben, wie großartig Dexter das mit Lita und dem Kind gedeichselt hat, und das wird ihn überzeugen, dass es keinen Grund gibt, überstürzt heimzufahren.»
Ihre Selbstzufriedenheit kehrte zurück. Warum auch nicht, wo doch die Liste für den Empfang des Kardinals fast vollständig war und die telefonischen Zusagen der beiden anderen Würdenträger, des Bischofs von New York und des Oberrabbiners, bereits vorlagen. Auch gesellschaftlich versprach das Ereignis ein Glanzlicht zu werden, obwohl die Saison schon vorüber war. Zahlreiche New Yorker kamen noch einmal zurück, nur um zu sehen, wie man einen Kardinal empfing. Sogar die Rivingtons wollten kommen – das wusste sie vom Bischof. Ja, die Rivingtons waren deutlich freundlicher geworden, seit sie und Manford sie in letzter Minute versetzt hatten. So musste man mit Leuten umgehen, die sich haushoch überlegen glaubten. Was hätten die Rivingtons nicht darum gegeben, wenn auch sie den Kardinal hätten einfangen können! Aber er reiste gleich am Tag nach Paulines Empfang nach Italien ab – das war das Schöne daran! Niemand konnte ihn mehr haben. Amalasuntha hatte das Ganze sehr klug inszeniert. Sie hatte sogar die Bedenken des Kardinals zerstreut, als dieser erfuhr, Mrs Manford sei Vorsitzende des Geburtenregelungskomitee s … Und wie sie heute Abend beim Dinner die Glückwünsche der Gäste genießen würde! Um Manfords willen sonnte sich Pauline in ihrer Leistung. Trotz seiner anderslautenden Beteuerungen konnte sie sich keinen Augenblick lang vorstellen, dass ihm solche Erfolge wirklich gleichgültig waren.
Lita erschien erst im Salon, als schon fast alle da waren. Sie kam immer als eine der Letzten, und nach ihren Worten gab es auf dem Land keine Möglichkeit, in Erfahrung zu bringen, wie spät es war. Selbst in Cedarledge, wo alle Uhren auf die Sekunde gleich gingen, konnte man ihnen nie glauben und hegte immer den Verdacht, dass sie alle zusammen zwölf Stunden vorher stehen geblieben waren.
«Außerdem, wozu muss ich auf dem Land pünktlich sein? Pünktlich zu was?»
Sie kam leise herein, fast unmerklich, mit diesem beflügelten Gang, halb schwebend, halb gleitend, und hatte trotz der zwanzig Anwesenden sofort das
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