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Dämmerschlaf - Roman

Dämmerschlaf - Roman

Titel: Dämmerschlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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wartet!» Ihren Gästen erklärte sie mit einem triumphierenden Unterton: «Ich wollte ihnen die Gelegenheit bieten, ihr neues Spielzeug vorzuführe n … Ja, es ist wohl in der Tat die allermodernste Feuerspritze. Dexter und ich fanden es an der Zeit, das Dorf ordentlich auszurüsten. Es ist eigentlich mehr wegen der Bauern – ein Gefühl der Sicherheit für die Umgebun g … Oh, Mr Motts, Sie sind wirklich alle wunderbar. Mr Manford und meine Tochter zeigen Ihnen jetzt, wo es das Essen gib t … Doch, doch, Sie müssen! Nur ein Sandwich und etwas Warmes.»
    Sie überragte alle, würdevoll und funkelnd wie eine Göttin der Geschwindigkeit.
    «Sie genießt es wie andere Frauen die Liebe», murmelte Manford bei sich.
    25
    Manford wusste nicht, was genau ihm plötzlich das Gefühl gab, Lita sei zwischen den scheidenden Gästen hinausgeschlüpft und nicht mehr zurückgekehrt. Kaum war ihm der Gedanke gekommen, nistete er sich schon in seinem Kopf ein, zäh und endgültig wie eine bewiesene Tatsache. Sie war hinausgeschlüpft und zwischen den anderen in der Dunkelheit verschwunden.
    Aber erst vor einem Augenblick, noch war Zeit genug, zum Schuppen im Wirtschaftshof zu laufen, wo die Autos manchmal über Nacht standen und wo er vorher seinen Buick abgestellt hatte, um in letzter Minute ins Haus zu hasten und sich zum Dinner umzuziehen. Er würde sie problemlos einholen.
    Der Buick war fort.
    Ohne Hut und Mantel stürmte er in der warmen Nachtluft hinter ihm her, die Auffahrt hinunter. Kein Mond heute Abend, aber eine trügerische, samtene Milde, wie so manches Mal im Frühling, bevor der Wind sich dreht und wieder aus einer eisigen Richtung bläst. Er lief weiter, zum offenen Tor hinaus, die Straße entlang aufs Dorf zu, und dort, an der Einmündung zur Schnellstraße nach New York – er wusste, dass sie auf diese Straße wollte – stand sein Wagen, und eine Gestalt im Scheinwerferlicht beugte sich darüber. Wilde, jähe Eifersucht durchfuhr ihn. «Da ist ein Mann bei ihr, wer?» Aber der Mann war nur sein eigener Mantel, den er auf dem Wagensitz hatte liegen lassen, als er zum Dinner ins Haus gehastet war, und den sich Lita nun über die Schultern geworfen hatte. Sie war es, die da in der Nacht stand, über das rätselhafte Innenleben des Autos gebeugt.
    Sie blickte auf und rief: «Oh, könnten Sie mal schauen, würden Sie mir bitte helfen? Das Ding ist stehen geblieben.» Manford trat ins Scheinwerferlicht; sie starrte ihn einen Augenblick lang an – unheimlich, wie das kleine Gesicht ihn aus der Dunkelheit ansprang. Dann brach sie in Lachen aus. «Du?»
    «Wolltest du einen Wildfremden bitten, deinen Wagen zu reparieren? Ziemlich riskant auf einer Landstraße mitten in der Nacht.»
    Sie zuckte die Achseln und lächelte. «Nicht so riskant, wie wenn ich es selbst versuchen würde. Höchstwahrscheinlich versteht selbst ein Wildfremder mehr vom Innenleben dieses Autos als ich.»
    «Lita, du bist verrückt! Zum Henker mit dem Auto. Was machst du überhaupt hier?»
    Sie schwieg, eine Hand auf der Motorhaube, während sie sich mit der anderen eine verrutschte Strähne aus der runden Stirn schob. «Ich laufe weg», sagte sie schlicht.
    Manford holte tief Atem. Das Wichtigste war jetzt, gelassen zu reagieren, möglichst im selben Tonfall wie sie, insbesondere Widerspruch und Geschrei zu vermeiden. Aber sein Herz klopfte wie ein Aufwerfhammer 59 . Sie war verrückter, als er gedacht hatte. «Weglaufen von diesem Dinner? Das kann ich dir nicht verübeln. Aber jetzt ist es vorbei. Trotzdem, wenn du die Erinnerung auslöschen willst, steig ins Auto, und wir machen eine kleine Spritztour – so wie auf dem Rückweg von Greenwich.»
    Ihre Lippen öffneten sich zu einem schwachen Lächeln. «Oh, aber die endete in Cedarledge.»
    «Ja, und?»
    «Nein, Verehrtester, ich gehe nicht zurück.»
    «Und wohin gehst du dann?»
    «Erst nach New York – danach weiß ich nich t … Vielleicht zu meiner Tant e … Vielleicht nach Hollywoo d …»
    Ihn packte die Wut. «Vielleicht nach Dawnside, hm? Gib’s doch zu!»
    Sie lachte und zuckte wieder die Achseln. «Zugeben? Warum nicht? Überallhin, wo ich tanzen und lachen und ganz einfach nur leben und verantwortungslos sein kann.»
    «Und wo du wieder dieses Lumpenpack um dich versammeln kannst, all dies e … Lita! Hör mir zu! Hör zu! Du musst!»
    «Ich muss?» In jäh aufflackerndem Ärger drehte sie sich zu ihm um. «Was glaubst du, mit wem du redest? Ich bin nicht Gladys Toy.»
    Dieser

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