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Dämmerschlaf - Roman

Dämmerschlaf - Roman

Titel: Dämmerschlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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Mann, überlegte Nona, den sie nicht erschrecken oder schockieren, der sie seinerseits nicht beneiden oder umschmeicheln würde, und an den sie sich stattdessen ein für alle Mal verlöre. Lita sich selbst verlieren? Nein, sie wollte immer nur sich selbst finden, ins Unermessliche vergrößert in jedem Augenpaar, in das sie blickte!
    Und nun kämpften Nona, ihr Vater und ihre Mutter darum, dass Jim dieses zerbrechliche Spielzeug behalten durfte, wo es doch vielleicht irgendwo auf der Welt eine richtige, menschliche Frau für ihn ga b … Was hatte das alles für einen Sinn?
    24
    Die Marchesa di San Fedele hatte äußerst schlichte Vorstellungen vom Land; genau genommen hatte sie nur eine einzige: Sie betrachtete es als eine Örtlichkeit, wo man mehr Zeit zum Bridgespielen hatte als in der Stadt, dem Himmel sei Dank! Alles andere war nur langweili g … Natürlich machte man den obligatorischen Rundgang mit Gastgeber oder Gastgeberin: Park, Gewächshaus, Molkerei, Brutschrank und wer weiß was noch alles. Ställe waren Gott sei Dank aus der Mode gekommen; selbst wenn die Hausbewohner noch ritten, schleppten sie einen nicht mehr an diesen trübseligen Pferdeboxen entlang oder zwangen einen, das blitzende Metall und Leder in der Sattelkammer zu bewundern oder die blau-rot schablonierten Monogramme auf dem Remisenboden – es sei denn, sie hatten Jagdhund e …
    Das Leben der Marchesa drehte sich seit Ewigkeiten um so langweilige Tätigkeiten, wie die Besichtigung vorbildlicher Molkereien, weil ihr dies die Gelegenheit oder das Geld zu anderen Tätigkeiten verschaffte, die sie ebenso aufregend fand wie Lita das Tanzen. Das gehörte zu den Spielregeln: Man musste zahlen für das, was man bekam, aber die Kunst bestand darin, um einiges mehr zu bekommen als den reinen Gegenwert.
    «Nicht dass ich deine Leistungen nicht bewundere, Pauline; das tun wir alle. Aber ich fühle mich angesichts dessen so unnütz und unfähig. Das ganze wunderbare Werk – Bäder und Schwimmbecken und Brutschränke und Feuerspritze –, alles ist perfekt, drinnen wie draußen! Manchmal bin ich froh, dass du nie in unserem armen alten San Fedele gewesen bist. Aber wenn Michelangelo jetzt herüberkommt und sich eine amerikanische Frau sucht, müssen wir in San Fedele natürlich Bäder einbaue n …»
    Pauline legte den Stift nieder, nach dem sie gegriffen hatte, um zu notieren, wie sie den Sekretär des Kardinals anreden musste. («Ein persönlicher Brief, meine Liebe, ja, handgeschrieben; noch hat man im Vatikan kein Verständnis für eure neumodischen amerikanischen Sitte n …»)
    «Wenn Michelangelo herüberkommt?», wiederholte Pauline.
    Die Miene der Marchesa blitzte wie ein gewetztes Messer. «Eine kleine Überraschung. Ich wollte es dich oder Dexter erst wissen lassen, wenn der Vertrag unterschrieben is t …»
    «Welcher Vertrag?»
    «Mein Junge wird den Cesare Borgia 54 in diesem neuen Film spielen. Klawhammer hat an dem Tag, als du aufs Land fuhrst, ein Telegramm mit einem verbindlichen Angebot geschickt. Und natürlich bestand ich darauf, dass Michelangelo sofort aufbricht, obwohl er vorgehabt hatte, den Frühling in Paris zu verbringen, und ziemlich verdrossen war, dass er nun darauf verzichten musste. Aber wie ich ihm versichert habe: Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, eine hübsche amerikanische Frau an Land zu ziehen. Wir alle wissen, was eure reichen Schwiegerväter hierzulande immer fragen: ‹Schulden? Perspektiven? Andere Frauen?› Das mit den Frauen lässt sich im Allgemeinen regeln. Die Schulden sind in diesem Fall auch bereits geregelt – dank eurer Großzügigkeit. Aber die Perspektiven – was ist mit denen, frage ich dich? Monatelang grüner Schimmel in San Fedele für vierzehn Tage Furore in Ro m … Nein, ich will nichts beschönigen! Und welche amerikanische Braut würde das akzeptieren? Die San-Fedele-Brillanten, ja doch – aber wo sind die San-Fedele-Badezimmer? Jetzt hingegen, meine Liebe, tritt Michelangelo als ebenbürtig auf, ja man könnte fast sagen als überlegen, müsste ich nicht befürchten, dadurch parteiisch zu wirken. Cesare Borgia in einem Klawhammer-Film – wer weiß, wie viele Millionen das bedeutet! Und natürlich ist Michelangelo genau der richtige Ty p …»
    «… mir die Güte zu erweisen, dies an Seine Eminenz weiterzureiche n … Ja, das ist wirklich eine Überraschung, Amalasuntha.» Im Stillen sagte sich Pauline: «Nun ja, warum nicht? Wenn sich seine eigene Mutter nicht daran stört,

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