Daemmerung der Leidenschaft
Stempel aufgedrückt, sie zur Seinen gemacht, indem er seinen Samen in sie goß. In dieser langen Nacht hatte sein Körper total die Herrschaft übernommen und sein Verstand einfach abgeschaltet – nicht daß jener gerade in Topform gewesen wäre. Das Fleisch kannte kein Gewissen; aus Instinkten heraus, die sich in Jahrtausenden herangebildet hatten, hatte er sie für sich beansprucht und versucht, dieses Band zu festigen, indem er sie schwanger machte und damit zwei Menschen zu einem einzigen verschmolz.
Es kostete ihn alle Mühe, nicht aufzuspringen und sie zu packen, um hier und jetzt herauszufinden, ob sie sein Baby in sich trug. Himmel nochmal, es war ja noch nicht einmal zwei Wochen her; wie sollte sie es also wissen?
»Webb?«
Lucindas Stimme riß ihn aus seiner Grübelei, und er richtete seine Gedanken wieder von der erschütternden Richtung, die sie eingeschlagen hatten, auf die Realität. Lucinda und Roanna sahen ihn an. Roannas Miene ließ keine Regung erkennen, wie immer; doch in diesem Moment war er so sehr mit ihr verbunden, daß er glaubte, Furcht und Besorgnis in ihren Augen zu lesen. Erwartete sie etwa, daß er ihre Äußerungen als Klatsch abtat? Wappnete sie sich vielleicht mit dieser Unbeweglichkeit gegen einen weiteren persönlichen Schlag?
Nachdenklich rieb er sich das Kinn, während er sie betrachtete. »Deines Wissens ist also das Mayfieldsche Privatleben ein einziges Chaos, und er braucht so dringend Geld, daß sein Urteil in Frage zu stellen ist.«
Sie wich seinem Blick nicht aus. »Genau!«
»Und das alles hast du heute nachmittag auf der Versammlung gehört?«
Bestätigend nickte sie.
Er grinste. »Dann kann ich nur sagen, dem Himmel sei Dank für Klatsch und Tratsch! Wahrscheinlich hast du uns vor einem großen Verlust bewahrt – und Mayfield wohl auch, wie es aussieht – denn er braucht unsere Unterstützung, um den Deal durchzuziehen.«
Lucinda schnaubte. »Ich bezweifle, daß uns dieser Herr besonders dankbar sein wird ... aber seine privaten Probleme sind wirklich sein Bier.«
Roanna lehnte sich ein wenig schwindlig zurück. Sie konnte kaum fassen, mit welcher Selbstverständlichkeit beide ihre Analyse der Situation akzeptiert hatten. Sie wußte nicht so ganz, was sie davon halten sollte – also saß sie einfach nur still da und sagte gar nichts. Gelegentlich spürte sie Webbs Blick auf sich, wagte jedoch nicht, ihn anzusehen. Ihre Gefühle waren im Moment viel zu dicht an der Oberfläche, zu instabil; sie wollte ihn nicht belästigen oder in Verlegenheit bringen, indem sie ihn mit hündischer Ergebenheit anstarrte. Der Streß der vergangenen Stunden forderte ohnehin langsam seinen Tribut; ihr Adrenalin-Hoch war abgeebbt, und sie fühlte sich völlig zerschlagen. Ob sie würde schlafen können, ließ sie dahingestellt. Tatsächlich war sie so müde, daß sie sich davor fürchtete, sofort in einen tiefen Schlaf zu verfallen, sobald ihr Kopf das Kissen berührte; denn das Schlafwandeln passierte meist dann, wenn sie halb bewußtlos vor Erschöpfung war und den Schlaf nicht mehr abwehren konnte. Doch ob sie nun tatsächlich zur Ruhe käme oder nicht, sie wünschte inbrünstig, sich ein wenig hinlegen und ausruhen zu können.
Auf einmal war Webb bei ihr, ergriff sie am Arm und zog sie hoch. »Du bist so müde, daß du fast aus dem Sessel kippst«, sagte er barsch. »Los, marsch ins Bett! Mayfields Vorschlag war alles, was wir noch zu besprechen hatten.«
Diese eine Berührung reichte, um in Roanna den unwiderstehlichen Wunsch zu wecken, sich an seine starke Schulter zu lehnen und die Hitze und Härte seines Körpers noch einmal zu spüren. Um dem Impuls nicht auf der Stelle nachzugeben, zwang sie sich dazu, ein wenig vor ihm zurückzuweichen. »Ja, mir fallen gleich die Augen zu«, gestand sie. »Wenn du sicher bist, daß das alles ist, gehe ich jetzt.«
»Tu das bitte«, sagte Webb mit einem leichten Stirnrunzeln.
Roanna murmelte Lucinda ein Gute-Nacht zu und ging. Webb starrte ihr mit zusammengekniffenen Augen nach. Sie war vor ihm zurückgewichen. Zum ersten Mal, seit er denken konnte, hatte Roanna seine Berührung gemieden.
»Wird sie schlafen können?« fragte er laut, ohne Lucinda anzusehen.
»Wahrscheinlich nicht.« Sie seufzte. »Nicht viel, jedenfalls. Sie scheint ein bißchen – ich weiß nicht, ja, nervös zu sein. So ist sie schon seit Jahren nicht mehr aus sich herausgegangen. Es freut mich, daß du ihr zugehört und sie nicht einfach abgewimmelt hast.
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