Daemmerung der Leidenschaft
war Davenport ja zu schön; es bot mehr als nur ein Dach für seine Bewohner – man könnte es für ein Lebewesen halten, das man besitzen wollte! Doch statt dessen gehörte man dem Haus, denn im Vergleich hierzu verblaßte jedes andere Heim.
Aber sie würde sich losmachen, das versprach sie sich energisch. Ohnehin hatte sie nie wirklich geglaubt, daß Davenport je ihr gehören würde, also empfand sie auch keinen Neid.
Angst hatte sie hier festgehalten, Pflichtbewußtsein und Liebe. Der erste Grund hatte sich bereits davongemacht, die beiden anderen würden bald folgen, und sie wäre erlöst.
Nach dem Abendessen sagte Webb zu Lucinda: »Falls du nicht zu müde bist, möchte ich noch über eine Investition mit dir sprechen, die mir im Kopf herumgeht.«
»Aber gerne«, sagte sie, und sie erhoben sich gemeinsam.
Roanna blieb unbewegt sitzen. Sie zwang sich zu einem letzten Bissen von dem Erdbeerkuchen, den Tansy als Nachspeise serviert hatte. Er schmeckte ihr ebensowenig wie die vorangegangenen Speisen.
Webb blieb an der Tür stehen und blickte sich mit einem Stirnrunzeln zu ihr um, als ob er soeben gemerkt hätte, daß sie noch fehlte. »Was ist, kommst du nicht?«
Wortlos stand sie auf und folgte ihnen. Sie fragte sich, ob er wirklich von ihr erwartet hatte, daß sie sich automatisch eingeladen fühlte, oder ob sie ihm nur plötzlich in den Sinn gekommen war. Wahrscheinlich letzteres; Webb unterbreitete aus alter Gewohnheit Lucinda seine Geschäftsentscheidungen, und trotz all seiner Beteuerungen, daß er Roanna nichts von ihrer Verantwortung wegnehmen wollte, hielt er sicher keine großen Stücke auf ihre Entscheidungskraft und Autorität.
Damit hat er recht, dachte sie, ohne sich etwas vorzumachen. Sie selbst besaß wenig Einfluß, wurde sozusagen von Lucinda und Webb lediglich vorgeschoben. Jeder der beiden konnte sie zurückreißen, wann immer es ihm oder ihr beliebte, und das war keine echte Autorität.
Im Arbeitszimmer nahmen sie die gewohnten Plätze ein: Webb am Schreibtisch, dem Platz, der noch vor so kurzer Zeit der ihre gewesen war, Roanna in einem der Ohrenbackensessel und Lucinda auf der Couch. Roanna war innerlich aufgewühlt, als ob auf einmal alles durcheinandergeraten und irgendwie umgedreht worden wäre. In den letzten paar Stunden hatte sie einige wesentliche Einblicke in ihren Charakter gewonnen, nichts Spektakuläres, aber doch kleine Erleuchtungen, die ihr das Gefühl gaben, schärfere Augen zu besitzen als vorher; ja, die Dinge waren eigentlich nie so gewesen, wie sie sie immer gesehen hatte.
Webb sprach, doch zum ersten Mal in ihrem Leben hing Roanna nicht an seinen Lippen, als ob der Allmächtige selbst das Wort schwänge. Sie hörte ihm kaum zu. Heute hatte sie erkannt, daß die Leute sie um ihrer selbst willen mochten, und war mit einem Rohling fertig geworden. Außerdem hatte sie eine Entscheidung für ihr weiteres Leben gefällt. Als Kind war sie ein Spielball gewesen, dem Willen und der Willkür Erwachsener ausgeliefert. Auch während der letzten zehn Jahre hatte sie das Leben an sich vorbeiziehen lassen, von ihrem sicheren Zufluchtsort aus zugeschaut, wo ihr niemand weh tun konnte. Doch jetzt war sie der Herr über ihr Leben; sie mußte sich niemandem mehr beugen, konnte ihre eigenen Entscheidungen treffen, ihre eigenen Regeln befolgen. Das Machtgefühl, das sie dabei durchdrang, war schwindelerregend und beängstigend, doch die freudige Erregung ließ sich ebensowenig leugnen.
»... eine beträchtliche Investition unsererseits«, sagte Webb gerade, »aber Mayfield war immer ein verläßlicher Mann.«
Roannas Interesse erwachte bei der Erwähnung dieses Namens mit einem Mal; ihr fiel ein, was sie erst heute nachmittag gehört hatte.
Lucinda nickte. »Klingt interessant, doch wir müßten natürlich ...«
»Nein«, schaltete Roanna sich ein.
Stille senkte sich über den Raum, nur die alte Standuhr tickte unverdrossen weiter.
Man konnte nicht sagen, wer am meisten überrascht war, Lucinda, Webb oder Roanna selbst. Schon öfter hatte sie Lucinda dazu bewogen, sich eine Geschäftsentscheidung nochmal zu überlegen, und erklärte ihr dies in ihrer ruhigen Art auch. Doch hatte sie noch nie etwas rundweg abgelehnt! Das Nein war ihr einfach so herausgerutscht. Sie hatte es nicht mal vorsichtig formuliert, hatte nicht gesagt, man solle sich das Ganze nochmal überlegen, sondern einfach ihr Nein hinausposaunt.
Lucinda lehnte sich baß erstaunt im Sofa zurück. Webb drehte seinen
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