Daemmerung der Leidenschaft
Ich mußte erst lernen, das ernsthaft zu beachten, was sie zu sagen hat. Es ist nämlich so, daß ihr viele Dinge auffallen, weil sie ja meist nur zuhört und den anderen das Reden überläßt. Roanna sieht dadurch eine Menge Details.«
Sie plauderten noch ein paar Minuten, dann erhob sich Lucinda mit gemessenen Bewegungen, da sie zu stolz war, um sich anmerken zu lassen, wie schwer ihr mittlerweile alles fiel. »Ich bin auch ein wenig müde, muß ich gestehen«, sagte sie. »Die Zeiten, in denen ich die Nächte durchgetanzt habe, sind vorbei.«
»Bei mir gab es die ohnehin nie«, erwiderte Webb trocken. »Es war immer zu viel zu tun.«
Sie hielt inne und musterte ihn besorgt. »Hat es dich belastet?« fragte sie auf einmal. »Du warst so jung, als ich dir Davenport übergab. Niemals hattest du Zeit, einfach nur ein Teenager zu sein.«
»Es war nicht leicht«, räumte er schulterzuckend ein. »Aber ich wollte es auch nicht anders. Ich bedaure nichts.« Hart arbeiten zu müssen hatte ihm nie leid getan. Er bereute einiges, aber nicht die Erregung, die er dabei empfand, seine Grenzen auszuloten, sich etwas zu erkämpfen, Erfolg zu haben. Die ganzen Angelegenheiten hatte er nicht nur für Davenport erledigt, sondern auch und vor allem für sich selbst: Denn er war süchtig gewesen nach Macht und nach der Aufregung des Rampenlichts. Er war der goldene Junge gewesen, der Kronprinz, und hatte die Rolle in vollen Zügen genossen. Sogar die Kronprinzessin hatte er geheiratet, und was für ein Desaster war daraus geworden! Er konnte Lucinda nicht die Schuld dafür in die Schuhe schieben, auch wenn sie seine und Jessies Heirat nach Kräften gefördert hatte. Vor allem sein blinder Ehrgeiz hatte ihn willig zum Altar geführt.
Lucinda tätschelte ihm im Vorübergehen den Arm, und er blickte ihr nach, als sie den Raum verließ. Sorgfältig setzte sie jeden einzelnen Schritt. Entweder litt sie unter Schmerzen oder war weit schwächer, als sie ihre Umgebung wissen lassen wollte. Weil es ihr gar nicht gefallen würde, wenn man ein Theater um sie machte, ließ er sie wortlos gehen.
Er seufzte, und der Laut verklang leise in dem stillen Raum. Früher einmal war dies hier seine ureigene Domäne gewesen, und es herrschte noch immer die kompromißlose Handschrift eines Mannes. Viel verändert war nicht worden, bis auf die Computer und das Fax, denn in Davenport neigte man nicht zu raschen, dramatischen Veränderungen. Es alterte allmählich, ganz subtil. Trotzdem kam ihm dieser Raum jetzt weicher vor, femininer. Die Vorhänge waren ein wenig anders, etwas heller, dazu gesellte sich noch etwas anderes. Der Geruch dieser vier Wände hatte sich verändert, als ob er die Süße von weiblicher Haut in sich aufgesogen hätte, von den Parfums und Lotionen, die Lucinda und Roanna benutzten. Er roch deutlich Lucindas Chanel; seit er denken konnte, betupfte sie sich damit. Roannas Duft war leichter, süßer, und er bemerkte ihn am stärksten, wenn er am Schreibtisch saß.
Das zarte Parfum lockte ihn unwiderstehlich. Er setzte sich also wieder hin und sah einige Papiere durch; doch schon nach wenigen Minuten gab er es auf und lehnte sich zurück. Stirnrunzelnd dachte er über Roanna nach.
Sie war noch nie vor ihm zurückgewichen. Das konnte er einfach nicht begreifen. Es verstörte ihn zutiefst, als ob er etwas Kostbares verloren hätte. Er hatte sich geschworen, sie nicht mehr auszunützen; Teufel nochmal, er war sich sogar ein wenig nobel dabei vorgekommen, weil er sich etwas versagte, was er sich wirklich sehnlichst wünschte: sie. Aber sie war so verdammt distanziert, als ob es diese Nacht in Nogales nie gegeben hätte, als ob sie nie jahrelang hinter ihm hergedackelt wäre und ihn angehimmelt hätte.
Warum war sie nur so schrecklich beherrscht, so verschlossen? Immer wieder grinste er sie an und erwartete ihre Erwiderung so wie früher, wenn sie miteinander scherzten; doch ihr glattes, unbewegliches Gesicht blieb immer ernst, als ob sie wahrhaftig das Lachen verlernt hätte.
Wiederum spukte ihre einmalige Liebesnacht durch sein Gedächtnis. Er wollte Roanna wieder lächeln sehen, doch inzwischen wünschte er sich noch mehr zu wissen, ob sein Baby in ihr wuchs. Sobald er es schaffte, würde er sie für ein kleines privates Gespräch beiseite nehmen – was möglicherweise ein weit schwierigeres Unterfangen zu werden versprach, als er sich je hätte vorstellen können, so, wie sie ihm in letzter Zeit aus dem Weg ging.
Am
Weitere Kostenlose Bücher