Daemmerung der Leidenschaft
ihn gekuschelt, »Daddy« geflötet – und die ganze Zeit hatte sie ihre Brüste an ihm gerieben und ihre Hüften an seine Lenden gedrängt. Das war alles. Mehr hatte es nicht gebraucht. Er hatte gelacht und ihr dann grob zwischen die Beine gefaßt, sie zu Boden gestoßen, wo sie wie die Tiere übereinander hergefallen waren.
Er brachte all ihre Willenskräfte zum Schweigen. Sie wollte ihn abwehren, wußte, wie gefährlich er war und daß sie ihn nicht beherrschen konnte – aber er zog sie an wie ein Magnet.
Mit ihm konnte sie keine Spielchen spielen, denn er kannte ihre wahre Natur. Es gab nichts, das er ihr geben konnte, und nichts, das sie von ihm wollte, außer wahnsinnigen, hemmungslosen Sex. Keiner hatte sie je so hergenommen wie ihr Daddy. Mit ihm mußte sie nicht auf jede ihrer Reaktionen achten oder versuchen, die seinen zu manipulieren; einzig hineinzustürzen hatte sie sich in den Taumel der Lüste mit ihm. Was immer er auch mit ihr machen wollte, sie willigte ein. Er war Abschaum, die Niedertracht in Person, und sie liebte es – denn er war die beste Rache, die sie sich je hätte ausdenken können. Wenn Webb nachts zu ihr ins Bett kam, dann geschah es ihm recht, daß er mit einer Frau schlief, die nur Stunden zuvor troff und klebte von Harper Neeleys Säften.
4
Roanna starrte Jessie nach, wie sie den Hof verließ und hinauf zu dem hügeligen Teil der Davenport-Ländereien ritt. Jessie bevorzugte gewöhnlich eine weniger anstrengende Route, über flache Felder oder Wiesen. Warum machte sie diesmal eine Ausnahme? Jetzt, wo sie daran dachte, fiel ihr auch ein, daß sie zuvor schon ein paarmal diesen Weg eingeschlagen hatte, und Roanna war zwar stutzig geworden, aber der Sache nicht weiter nachgegangen. Aus irgendeinem Grund kam ihr diesmal jedoch dabei etwas anders vor.
Vielleicht lag es ja daran, daß sie Jessie immer noch böse war wegen ihrer letzten gemeinen Bemerkung, obwohl sie schon schlimmere Angriffe auf ihr ohnehin zerbrechliches Selbstbewußtsein hatte ertragen müssen. Oder sie erwartete einfach grundsätzlich, im Gegensatz zu allen anderen, daß Jessie nichts Gutes im Schilde führte. Es konnte auch dieses verdammte Parfüm sein, beim Mittagessen hatte sie es noch nicht drangehabt. Ein so starker Geruch wäre ihr aufgefallen. Warum hatte sie sich also mit Parfüm überschüttet, bevor sie zu einem Alleinritt aufbrach?
Die Antwort dämmerte ihr mit blendender Klarheit. »Sie hat einen Liebhaber!« flüsterte sie zutiefst bestürzt. Jessie schlich hinter Webbs Rücken davon, um sich mit einem anderen Mann zu treffen! Roanna erstickte fast an ihrer Empörung. Wie konnte jemand, selbst Jessie, nur so bescheuert sein, eine Ehe mit Webb zu gefährden?
Rasch sattelte sie Buckley, ihr derzeitiges Lieblingspferd, und ritt in dieselbe Richtung, in der Jessie verschwunden war. Der große Wallach besaß einen langen, etwas unebenen Schritt, der einen weniger erfahrenen Reiter gehörig durchgeschüttelt hätte, aber man kam sehr schnell mit ihm voran. Roanna war an seinen Schritt gewöhnt und paßte sich seinem Rhythmus an, verschmolz mühelos mit seinen Bewegungen, während sie den Blick auf den Boden geheftet hielt, wo sie den frischen Spuren von Jessies Pferd folgte.
Ein Teil von ihr wollte nicht glauben, daß Jessie ein Verhältnis hatte – es wäre einfach zu schön, um wahr zu sein, und außerdem war Jessie viel zu gerissen, um ihr Brot mit der Butterseite nach unten fallen zu lassen –, aber sie konnte der erregenden Illusion, vielleicht doch recht zu haben, einfach nicht widerstehen. Voller Schadenfreude begann sie vage Rachepläne zu schmieden wegen all der Jahre, in denen Jessie sie malträtiert und gequält hatte, obwohl sie im Grunde mehr Verwirrung empfand als Vergeltungsgelüste. Eher würde sie Jessie eins auf die Nase geben, als sich irgendeinen raffinierten Verrat auszudenken und gar durchzuführen. Ersteres versprach außerdem ein gewisses Vergnügen. Und sie konnte sich die Gelegenheit, Jessie bei etwas Verbotenem zu ertappen, keinesfalls entgehen lassen; gewöhnlich war es nämlich sie, die Mist baute, und Jessie diejenige, die sie verpetzte.
Sie wollte die Cousine nicht zu rasch einholen, also zügelte sie Buckley zum Schritt. Die Julisonne brannte derart heiß und gnadenlos, daß sie eigentlich die Farbe der Bäume hätte auswaschen müssen, was freilich nur so aussah. Ihre Kopfhaut schwitzte vor Hitze. Gewöhnlich setzte sie sich eine Baseballmütze auf; aber sie hatte
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